Traumschiff-Produzentin wird neue IHK-Präsidentin in Berlin
Die roten Box-Handschuhe hat sie noch nicht angehabt. Das Paar liegt am Fuße eines Punchingballs in ihrem Firmenbüro in Adlershof. Ihre Mitarbeiter haben ihr das federnde Sportgerät geschenkt – damit sie im Notfall Stress oder Ärger abreagieren kann. Möglicherweise ist nun der Ersteinsatz gewissermaßen in Schlagdistanz.
Mehr Arbeit wird Beatrice Kramm in den nächsten Wochen und Monaten auf jeden Fall haben. Am Montag wurde sie als Nachfolgerin von Alba-Chef Erik Schweitzer und als erste Frau in das höchste Ehrenamt der IHK gewählt. Ab sofort ist die Geschäftsführerin der Film- und Fernsehgesellschaft Polyphon damit Repräsentantin von rund 274.000 Berliner Firmen und Gewerbetreibenden, die in der Institution organisiert sind.
„Alles Neue im Leben befördert meine Kreativität“, sagt sie in einer Fragerunde zu der kommenden Aufgabe, „ohne Impulse von außen ist man nicht kreativ“. Zwar ist die IHK-Tätigkeit für sie nicht ganz neu: Seit 2004 arbeitet sie bereits im Präsidium der Organisation mit, seit 2007 war sie Stellvertreterin von Schweitzer. Nur steht sie jetzt ganz vorn, damit viel mehr in der Öffentlichkeit als bisher und vor allem direkt in der Verantwortung für eine Organisation, die den Anspruch hat, Rahmenbedingungen für die Wirtschaft mitzugestalten.
Mehrere erfolgreiche TV-Serien produziert
Schweitzer hatte bei seiner Abschieds-Ankündigung betont, es sei ihm wichtig gewesen, eine Person zur Wahl vorzuschlagen, die „unternehmerisch erfolgreich“ ist. Beatrice Kramm hat diesen Nachweis erbracht: Aus ihrer Gesellschaft Polyphon – an der sie selbst 10 Prozent hält – kommen solche erfolgreichen Serien wie „Traumschiff“ für das ZDF und die RTL-Serie „Doctor’s Diary“. In der vergangenen Woche war sie in Eisenach. Dort wird die neue Staffel für „Familie Dr. Kleist“ gedreht. Die Folgen sollen im Herbst im Vorabendprogramm zu sehen sein, und natürlich wird es noch emotionaler zugehen, mehr Konflikte geben, wird der geneigte Zuschauer noch mehr mitfiebern.
Beatrice Kramm, Mutter zweier Söhne, kam vor rund 20 Jahren richtig zum Film. Sie hat zuvor Jura studiert und war bereits 1994/1995 für die IHK in den Bereichen Recht und Stadtentwicklung tätig. Formate für Film und Fernsehen zu entwickeln – das geschehe im Team, sagt sie: „Eine Idee wird erst dann gut, wenn viele daran arbeiten“.
Diese Erfahrung aus dem Geschäftsbetrieb will sie auch an der Spitze der IHK einsetzen. Sie sagt, dass sie möglicherweise andere Akzente als ihr Vorgänger Eric Schweitzer setzen werde, „aber welche genau, kann ich noch nicht sagen“. Sie wolle sich einarbeiten, um dann „bei den Herausforderungen unseres Standortes Prioritäten zu setzen“. Sie selbst nennt Offenheit ihre größte Stärke, Ungeduld dagegen ihre größte Schwäche. Natürlich hat sie Vorstellungen, wohin die IHK und Berlin sich entwickeln sollen. Die Kammer solle beispielsweise noch mehr Service für die Mitglieder bieten, in der Beratung, bei Dienstleistungen, in Ausbildungsfragen.
Intelligente Verknüpfung mit Digitalisierung und Wissenschaft
„Die IHK muss Ansprechpartner auch für kleine Probleme und kleine Firmen sein“, betonte sie. Nach dem Motto: „Ihr könnt mit jedem Problem anrufen und fragt die Kammer.“ Es gebe Tausende Firmen, die nach der ersten persönlichen Ansprache oder einem Beitragsbescheid nichts mehr von der IHK gehört hätten oder mit ihr zu tun hatten. So wie ihre Bürotür in Adlershof in der Regel für alle Mitarbeiter offen steht, will sie den Kontakt zu den Firmen ausbauen. „Miteinander sprechen ist mehr als eine E-Mail“, sagt sie.
Berlin und die hiesige Wirtschaft sieht sie vor großen Herausforderungen. Die Stadt wachse enorm, und damit müsse man umgehen, dafür Konzepte entwickeln. Sie verweist auf die von der IHK initiierte und begleitete Studie „Berlin 2030“, die langfristige Entwicklungstrends beschreibt und Ziele und Wege definiert. „Solche strategischen Konzepte kommen manchmal im täglichen Einerlei zu kurz“, sagt sie.
Im Gespräch reißt sie in der Kürze der Zeit mehrere Themen an. Sie glaube, dass die Stadt mehr Industrie brauche, so in der intelligenten Verknüpfung mit der Digitalisierung und der Wissenschaft. Sie spricht die Digitalisierung an, die manche Firmen als Bedrohung empfinden. „Es wird nur bedrohlich, wenn sich die Firmen dem Thema nicht stellen“, sagt die bekennende Carsharing-Nutzerin und Autofahrerin. Dort könne sie am besten telefonieren, ihr Beruf bestehe aus telefonieren.
Eine Großstadt wie Berlin brauche ein schnelles flächendeckendes WLAN-Netz. Zur Leidensgeschichte des Flughafens BER sagt sie, der „nächstgenannte Termin sollte stehen“, und lässt offen, was sie glaubt, wann der Flughafen wirklich eröffnet wird. Ebenso sei der Zuzug der vielen Flüchtlinge eine Herausforderung. Denn es gehe auch für diese Menschen um „Wohnraum, Bildung, Arbeit – das ist der Dreiklang, den jeder Mensch braucht.“
Berlin war auf die Menge der Flüchtlinge nicht vorbereitet
Das Problem sei, dass so viele Geflüchtete auf einmal kamen, worauf die Stadt nicht vorbereitet gewesen sei. „Es arbeiten aber viele Menschen daran, diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen“, sagt sie, dieses Engagement habe ihre „große Wertschätzung“. Sie betont, dass die Flüchtlinge auch ein Gewinn für die Stadt sind. Selbstverständlich sei sie nicht glücklich, dass extreme Meinungen an Zustimmung in der Bevölkerung gewännen, erklärt die parteipolitisch nicht gebundene Managerin. Sie hoffe, dass Berlin eine weltoffene und liberale Stadt bleibt.
Die 50-jährige Managerin, die gern lacht, macht nicht den Eindruck, als ob sie sich von Widrigkeiten oder gar Gegenwind sonderlich beeindrucken ließe. Das lässt auch ein Spruch an der Wand hinter ihrem Schreibtisch in Adlershof vermuten: „Erfolg hat der, der am meisten damit rechnet.“