Trotz Kritik: Verkehrsbetriebe halten FFP2-Maskenpflicht weiterhin für richtig

Manche sprechen von „Menschenrechtsverletzung“. Die Regelung sei aber sinnvoll, sagen ostdeutsche Verkehrsunternehmen. Und wollen ihre Kunden zurückgewinnen.

Sie halten sich an die Regeln: Fahrgäste mit FFP2-Maske im U-Bahnhof Unter den Linden. 
Sie halten sich an die Regeln: Fahrgäste mit FFP2-Maske im U-Bahnhof Unter den Linden. Benjamin Pritzkuleit

Berlin-Neue digitale Tickets, Rufbusse auf Bestellung: Um in der Corona-Krise verlorene Fahrgäste zurückzugewinnen und bestehende Kundschaft zu halten, planen die Verkehrsbetriebe Neuerungen. Doch eines soll sich ihrer Meinung nach nicht ändern: die Pflicht, in Bussen und Bahnen Mund und Nase zu bedecken. „Wir wissen nicht, wie sich die Corona-Pandemie weiter entwickelt“, sagte Birgit Münster-Rendel, die Vorsitzende der Landesgruppe Ost des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), am Dienstag. „Die Maskentragepflicht ist ein gutes und einfaches Mittel, um Vertrauen in den Nahverkehr zu halten und zurückzugewinnen.“

Seit dem vergangenen Jahr, genauer gesagt seit dem 27. April, müssen Fahrgäste im öffentlichen Verkehr Berlins Mund und Nase bedecken. Seit dem 24. Februar dieses Jahres reichen einfache Textilmasken nicht mehr aus, medizinische Masken wurden gefordert. Anfang April trat die jetzige Regelung in Kraft: In Berlin werden nur noch FFP2-Masken akzeptiert. Maskenmuffel riskieren in der BVG 50 Euro Vertragsstrafe.

TU-Wissenschaftler: Maske schützt vor allem den Träger vor Corona

Hauptargument für die Maskenpflicht ist, dass die Textilbarriere Ansteckungen mit dem Coronavirus verhindern kann. Für den Träger sei der Schutz übrigens am größten – weshalb man schon aus Eigeninteresse eine Maske tragen sollte, wie Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin vorgerechnet hat. Doch nicht wenige Fahrgäste fühlen sich unwohl und eingeengt, wenn sie eine FFP2-Maske tragen müssen – vor allem, wenn es so warm ist wie jetzt.

„Für mich ist das eine Menschenrechtsverletzung durch den Berliner Senat“, sagt der S-Bahn-Nutzer Sven Krein aus Velten. Eine OP-Maske würde ausreichen. Andere Nahverkehrsnutzer verweisen auf die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, wonach FFP2-Masken nicht besser schützen als OP-Masken. In Deutschland sei das Corona-Risiko generell stark gesunken. Doch durch die vielen Maskenträger entstehe der Eindruck, dass der Nahverkehr ein gefährlicher Ort sei, an dem Infektionen drohen – das wirke abschreckend. Dabei gebe es dort kein erhöhtes Ansteckungsrisiko, bestätigte der VDV. 

Gesucht: eine Alternative zum geplanten Homeoffice-Ticket der BVG

Die Länder entscheiden, wo welche Masken getragen werden. Doch die Nahverkehrsunternehmen im Osten Deutschlands, zu denen die BVG und die S-Bahn Berlin gehören, halten diese Pflicht unverändert für sinnvoll. „Wir befürworten sie weiterhin“, bekräftigte Birgit Münster-Rendel. „Wir wollen die Fahrgastzahlen wieder erhöhen“ – was dazu führen könnte, dass nicht mehr so viel Platz ist, um viel Abstand halten zu können. „Außerdem sind wir inzwischen darin geübt, Masken zu tragen“, so die Vorsitzende des VDV Ost und Chefin der Magdeburger Verkehrsbetriebe weiter.

Wie berichtet, ist die Zahl der Fahrgäste gesunken. Der Trend zum Homeoffice trägt ebenso dazu bei wie eine Änderung der Mobilitätsgewohnheiten. Individuelle Verkehrsmittel wie das Auto oder das Fahrrad werden stärker genutzt. „Bei uns liegt die Fahrgastzahl derzeit bei 65 Prozent des Niveaus vor Corona“, berichtete BVG-Chefin Eva Kreienkamp. Die Zahl der Umweltkarten-Abos ist seit März 2020 um mehr als 15 Prozent zurückgegangen.

BVG will Fahrgastzahl verdoppeln - auf 1,5 Milliarden pro Jahr

Auch der S-Bahn Berlin GmbH sagten viele Stammkunden adieu: Die Abonnentenzahl sank von März 2020 bis Mai 2021 um rund zwölf Prozent. In ganz Berlin und Brandenburg gingen die Einnahmen aus Abos allein von März 2020 bis März 2021 um 10,8 Prozent zurück, berichtete der Verkehrsverbund VBB. Bei den Firmentickets summierte sich der Schwund sogar auf knapp 50 Prozent.

Mit einem neuen digitalen Angebot sollten Teilzeitpendler den Berliner Nahverkehr innerhalb von 60 Tagen acht, zwölf oder 20 Mal jeweils 24 Stunden lang nutzen dürfen, für Preise zwischen 44 bis 88 Euro. Doch in Brandenburg gibt es Widerstand gegen die Idee der BVG. „Ein Homeoffice-Ticket wird im VBB derzeit kurzfristig nicht eingeführt“, bekräftigte der Verkehrsverbund am Dienstag. Trotzdem würden „Maßnahmen für einen flexiblen Mobilitätsbedarf weiter untersucht“.

Was im September auf jeden Fall kommt, sei ein Pilotversuch, bei dem neue Abrechnungsmöglichkeiten getestet werden, sagte BVG-Chefin Kreienkamp. Teilnehmer checken sich für jede Fahrt ein und danach wieder aus. Am Ende wird der günstigste Tarif berechnet, künftig wären auch Kilometerpreise möglich. Nicht zu vergessen: Ab Mai 2022 sollen Rufbusse, die man per App ordern kann, zwischen dem Ostkreuz und dem nordöstlichen Stadtrand unterwegs sein.

Die BVG hat die Latte hoch gelegt, so Eva Kreienkamp: „Im Vergleich zu 2020 wollen wir unsere Fahrgastzahlen verdoppeln.“ Das wären 1,5 Milliarden Fahrgäste in einem Jahr.