Türkischer Bund in Berlin: „Bitte spenden Sie keine Stöckelschuhe!“
Viele Menschen wollen helfen. Aber nicht jede Spende macht Sinn. Jetzt gibt es von der türkischen Regierung auch noch die Auflage: Keine gebrauchte Kleidung.

Zwei Tage nach den verheerenden Erdbeben im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien gibt es auch in Berlin für viele Menschen kaum ein anderes Thema. Die Zahl der Todesopfer ist mittlerweile auf mehr als 11.000 angestiegen. Die betroffene Region in der Türkei ist für viele Türken in Berlin sehr bekannt, sie haben Verwandte oder Freunde vor Ort. Ayşe Demir ist die Sprecherin des Türkischen Bundes in Berlin. Sie erzählt im Interview, auf welche Spenden es jetzt vor allem ankommt.
Frau Demir, was tun Sie als Türkischer Bund für die Menschen im Erdbebengebiet?
Wir haben gleich am ersten Tag einen Spendenaufruf gestartet und unterstützen diverse Einrichtungen, zum Beispiel Akut, eine zivilgesellschaftliche Organisation, die besonders in Katastrophenfällen aktiv ist. Oder den Antiochia-Verein in der Kreuzberger Cuvrystraße. Dort haben wir Sachspenden gezielt nur für die Region Hatay gesammelt, weil wir Sorge hatten, dass dort nicht genügend Spenden ankommen.
Warum sollten dort keine Spenden ankommen?
Zum einen ist die Region abgelegen, bergig. Die Wege dorthin sind zerstört, der Flughafen auch. Und, aber das ist Spekulation: Viele Bezirke sind sehr oppositionell, und werden deshalb womöglich vernachlässigt. Aber je mehr Spenden kommen, desto mehr Unterstützung ist auch möglich. Man versucht, die Sachen per Schiff oder Hubschrauber hinzubringen.
Und wie sind die Spendenaktionen angelaufen?
Ich bin völlig überwältigt und gerührt, wie hilfsbereit die Menschen sind. Manche der Spendenden sind zudem nicht türkeistämmig, das macht das Ganze natürlich noch emotionaler. Die Menschen sind aufgewühlt, man will was machen, und wenn man anpackt, hat man das Gefühl, gebraucht zu werden. Der Ansturm war so groß, dass inzwischen sogar ein paar Aktionen vorläufig gestoppt werden mussten, weil die Sachen erst mal sortiert und verpackt werden müssen.
Was sortieren und verpacken Sie denn so?
Kleidung und Hygieneartikel vor allem, da werden dann Windeln und Damenbinden sortiert, die Pullis hier, die Jacken da. Dann werden Kartons beschriftet und die Sachen reingepackt. Es war unglaublich, wie gut das funktioniert hat. Sobald Kartons fehlten, posteten die Leute das in den sozialen Medien und 20 Minuten später standen Leute mit neuen Kartons da.
Laut Deutschem Rotem Kreuz wird auch vieles gespendet, was unbrauchbar ist. Haben Sie die Erfahrung auch gemacht?
Wir hatten auch ein paar Sommerklamotten dabei, das macht im Winter natürlich nicht viel Sinn. Oder Stöckelschuhe! Deshalb haben wir jetzt den Aufruf gestartet, dass nur saubere Winterkleidung Sinn macht.
Jetzt hat das Türkische Konsulat die Auflage erlassen, dass ab sofort aus hygienischen Gründen keine gebrauchte Kleidung mehr geliefert werden darf. Zwar sollen schon gespendete Sachen weitergeleitet werden. Aber ab jetzt würden Kleiderspenden nur noch neu mit Etikett in der Originalverpackung angenommen …
Ich bin sprachlos! Wenn ich halbnackt auf der Straße lande, trage ich doch alles, einfach nur, um nicht zu frieren. Egal, ob Männerjacke, und auch mit dem Risiko, dass da ein paar Bakterien draufsitzen …
Sie stammen selbst aus der Türkei. Kennen Sie persönlich Leute vor Ort?
Ich habe selbst Freunde und Bekannte in der Region. Bei Freunden in Hatay war es knapp. Sie wurden verschüttet. Aber Leute vor Ort haben mit ihrem letzten Internetguthaben Standorte gepostet, Wegbeschreibungen wie „bei der und der Straße, gegenüber vom Bäcker, da sind Menschen in Not“. Ich habe den Hilferuf auch in den sozialen Medien gepostet, und tatsächlich sind meine Freunde gestern gerettet worden und es geht ihnen den Verhältnissen entsprechend gut. Aber ein Kollege hat bei dem Erdbeben einen Cousin verloren. Die Katastrophe ist sehr nah dran an uns.
Danke für das Gespräch.
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