Überlastete Ämter in Berlin: Chaos auf Bürgerämtern gefährdet Abgeordnetenhauswahlen

Bisher waren die langen Wartezeiten in den Bürgerämtern vor allem ein Ärgernis für die Berliner, die sich derzeit bis zu zwei Monate gedulden müssen, ehe sie einen Termin bekommen. Doch sollten sich die Zustände nicht bessern, könnte auch die Demokratie Schaden nehmen.

In einem eindringlichen Brief hat sich Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach in dieser Woche an die Bezirksbürgermeister gewendet. Sie fordert sie auf, schnelle Maßnahmen zu ergreifen, um die Wartezeiten zu verkürzen. Andernfalls seien die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen beeinträchtigt, möglicherweise würden Ergebnisse ungültig, schreibt Michaelis-Merzbach in dem Brief, der dieser Zeitung vorliegt. Hintergrund sind die Fristen für die Erstellung des Wahlverzeichnisses. Die Grundlage für diese Liste aller Wahlberechtigten, die 35 Tage vor der Wahl erstellt wird, ist das Melderegister.

Wahlleiterin fürchtet um Beteiligung bei Briefwahl

Laut Meldegesetz müssen die Bürger einen neuen Wohnsitz innerhalb von zwei Wochen anmelden, wegen der langen Wartezeiten ist das derzeit aber kaum möglich. Michaelis-Merzbach weist darauf hin, dass eine große Zahl von Bürgern im falschen Bezirk abstimmen oder gar vom Wahlrecht ausgeschlossen werden könnte – Neu-Berliner etwa, die sich noch nicht anmelden konnten. Bei knappen Ergebnissen könne dies unter Umständen zu einer Wiederholung im entsprechenden Wahlgebiet führen.

Die Wahlleiterin befürchtet auch, dass die Beteiligung an der Briefwahl zurückgehen könnte, wenn sich die Zustände in den Bürgerämtern nicht bessern. Sie sind nämlich in den meisten Bezirken zuständig für die Briefwahlstellen, wo Bürger ihre Stimme abgeben können und die üblicherweise sechs Wochen vor der Abstimmung öffnen. „Wartezeiten, die über einige Minuten hinausgehen, sind auch hier unbedingt zu vermeiden“, schreibt Michaelis-Merzbach.

Über Maßnahmen, um die Zustände in den Bürgerämtern zu verbessern, beraten Innenstaatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) und die zuständigen Stadträte an diesem Donnerstag. Einigkeit dürften sie nur in wenigen Punkten erzielen, die Meinungen in den Bezirken gehen weit auseinander.

Forderung nach besserer Organisation

So fordert etwa der Reinickendorfer Stadtrat Uwe Brockhausen (SPD) mehr Personal. „Wir wollen den Bürgern gern besseren Service bieten, aber dazu brauchen wir die nötigen Ressourcen“, sagte er der Berliner Zeitung. Statzkowski verlangt von den Bezirken, dass sie erst die bewilligten 31 neuen Stellen besetzen, bisher wurden nur 17,5 neue Stellen eingerichtet. Auch Marzahn-Hellersdorf stellt erst jetzt neue Mitarbeiter ein. Das Besetzungsverfahren dauere lange, zudem habe es Querelen mit dem Personalamt gegeben, sagte Stadtrat Peter Richter (SPD). „Wir hoffen aber, dass es im zweiten Halbjahr eine deutliche Entspannung gibt.“

Doch die Personalfrage ist nicht der einzige Streitpunkt. Einige Bezirkspolitiker sind überzeugt, dass sich die Arbeit der Bürgerämter besser organisieren ließe. So gibt es große Unterschiede, wie viele Kunden die Mitarbeiter pro Stunde bedienen. In den besten Bezirken sind es mehr als sieben, in anderen weniger als fünf. Es kursieren auch Überlegungen, die Zahl der Standorte zu reduzieren, um das Personal flexibler einsetzen zu können.

Wahlleiterin Michaelis-Merzbach zumindest ist zuversichtlich, dass die Bezirkspolitiker ihre Probleme lösen. „Sie wissen ja, wie wichtig Wahlen sind.“