Urlaub im Ausnahme-Modus

In den Herbstferien fallen für viele Berliner die üblichen Reisen aus. Unserem Autor ist es gelungen, die Corona-Hauptstadt zu verlassen. Wie oft wurde er kontrolliert?

Keine Polizei weit und breit, nur frische Luft und weite Wälder.
Keine Polizei weit und breit, nur frische Luft und weite Wälder.Berliner Zeitung/Jens Blankennagel

Rheinsberg- Unser Urlaub begann mit einem Triumphzug. Wegen der vielen Taschen mussten wir gleich drei Mal die Treppe hoch und runter, um alles ins Auto zu bringen. Unterwegs trafen wir mehrere Nachbarn. Eine Mutter staunte: „Ihr habt euch wirklich rechtzeitig einen Test besorgt?“  Eine andere sagte nur: „Ich will auch verreisen.“

Ihre kleine Weltuntergangsstimmung wurde ganz schnell relativiert. Denn vor dem Haus stieg eine Nachbarin aus dem Taxi, die mit der Familie vor Monaten nach Südamerika gezogen war. Zum Überwintern kehrte sie nun nach Berlin zurück - ganz bewusst. Wegen der freiheitlichen Zustände hier. „In Chile herrscht der totale Lockdown“, sagte sie. „Wir durften das Haus nur zwei Mal pro Woche unter Polizeiaufsicht verlassen und in den Supermarkt.“

Als wir im Auto saßen, benutzte ich das Wort Triumphzug. Wir waren tatsächlich ein wenig stolz. Fast so wie damals, als wir im Sommer 89 unsere Visa für Ungarn bekommen hatten oder 2012, als wir erstmals nach Myanmar durften.

Nun hatten wir also einen Corona-Reisepass für Brandenburg. Es war nicht einfach gewesen, den Test zu bekommen. Er durfte nicht älter als 48 Stunden sein, aber manchmal dauert es auch 48 Stunden, bis das Ergebnis vorliegt.

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Die Wartezeit dehnte sich, wir schauten ständig auf die entsprechende Internetseite. Am Morgen der Abreise lag das Ergebnis vor. Endlich. Die Freude war groß, doch sie blieb nicht ungetrübt. Denn das Ergebnis existierte nur im Internet, doch wir wollten einen Ausdruck, denn in Brandenburg gibt es nicht überall Internet. Es war äußerst schwierig, den Test auszudrucken, denn egal, welchen Namen wir aufriefen, es wurde immer der Test meiner Frau ausgedruckt. Verrückte Welt. Nach dem 17. Versuch klappte es. Im Auto sang unser Sohn ein Lied, für das er sich einen schönen Text ausgedacht hatte: „Mein Triumphzug fährt immer pünktlich ab.“

Was würde nun kommen? Würden die Brandenburger Polizisten nach B-Autoschildern fahnden? Was würden sie bei der Kontrolle nach dem Abendessen zuerst fragen? „Haben Sie Alkohol getrunken?“ Oder: „Haben Sie Ihren Test dabei?“

Wir schlossen familieninterne Wetten ab. Meine Frau sagte, wir würden in einer Woche drei Mal angesprochen. Ich sagte: „Niemand wird uns fragen.“

Wir mussten nun bei der morgendlichen Fahrt zum Bäcker nicht nur an Geld und die Maske denken, sondern auch an den Test. Ansonsten saßen wir eigentlich nur einsam in unserer Ferienwohnung herum oder wanderten viel. In einer Woche Urlaub trafen wir sehr viel weniger Leute als in Berlin an einem Nachmittag auf dem Spielplatz.

Ach so, die Wette habe übrigens ich gewonnen: Niemand hat uns nach dem Test gefragt. Kein Polizist weit und breit, kein Ordnungsamt. Nur frische Luft und weite Wälder. Wie hätte uns dort - fernab der Zivilisation - auch jemand aufspüren sollen? Nun aber müssen wir wieder zurück in die Welt mit den bedrohlichen Schlagzeilen.