Schwer kranke Ehefrau mit Kissen erstickt: 78-Jähriger muss nicht ins Gefängnis

Karl-Heinz N. brachte in Berlin seine Frau um, dann stürzte er sich aus dem Fenster, überlebte aber. Nun wurde er wegen Totschlags im minderschweren Fall verurteilt.

Karl-Heinz N. (l.) im Gerichtssaal mit seinem Verteidiger
Karl-Heinz N. (l.) im Gerichtssaal mit seinem VerteidigerPressefoto Wagner

Karl-Heinz N. nimmt an diesem Montag das Urteil mit einer gewissen Erleichterung auf: Der 78-Jährige muss für den Tod seiner Ehefrau nicht ins Gefängnis. Wegen Totschlags im minderschweren Fall verurteilt ihn die Schwurgerichtskammer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Mark Sautter, der Vorsitzende Richter, spricht in der Begründung von einer verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat aufgrund einer schweren depressiven Episode. Der Richter spricht von einer vollständigen Hilflosigkeit und großen Belastung, der der Angeklagte mit der Pflege seiner schwer kranken Frau ausgesetzt gewesen sei. „Eine angemessene Unterstützung hatte er nicht“, erklärt Sautter.

Karl-Heinz N. hatte am 31. Mai des vergangenen Jahres seine 79 Jahre alte, schwer kranke Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in Spandau mit einem Kissen erstickt. Dann rief er den Notruf der Polizei an, gestand die Tat und sprang in Suizidabsicht vom Balkon der Wohnung in der dritten Etage. Er überlebte schwer verletzt.

Pflegeantrag wurde nach Telefonat abgelehnt

Der Angeklagte und seine Ehefrau hätten eine harmonische Ehe geführt, erklärt Sautter. Die Eheleute hätten wenig Kontakt gepflegt. Ihre einzige Tochter lebt in Schweden. Die Ehe sei für Karl-Heinz N. das wesentliche Fundament seines Lebens gewesen. Im Laufe des Jahres 2021 verschlechterte sich jedoch nach einer Aorta-Operation der Gesundheitszustand der Ehefrau dramatisch. Die Frau litt an der Lungenkrankheit COPD, zudem war der geistige Verfall aufgrund einer Demenz dramatisch.

N. habe seine Frau zunehmend gepflegt, sich seine eigene Überforderung nicht eingestehen wollen. Im November/Dezember 2021 stellte der Angeklagte einen Antrag auf eine Pflegestufe für seine Frau. Der Antrag sei vom Medizinischen Dienst in der Pandemie-Zeit nach einem Telefonat, in dem die Ehefrau offenbar geäußert hatte, ihr würde es gut gehen, abgelehnt worden.

Sautter nennt das Vorgehen des Medizinischen Dienstes in Zeiten von Corona, Begutachtungen telefonisch durchzuführen, „befremdlich und wenig sachgerecht“. Objektiv habe ein Anspruch auf Leistung bestanden, und bei Gewährung dieser Leistung wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu der Tat gekommen. Zum Schluss sei die Ehefrau inkontinent, der Angeklagte dadurch noch stärker überfordert gewesen. „Ich muss nicht besonders ausführen, was es für jemanden bedeutet, in diesem Alter seine Ehefrau zu windeln und zu waschen“, sagt der Richter.

Mit dem Urteil bleibt die Kammer unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Der Anwalt von Karl-Heinz N. hatte hingegen eine Haftstrafe gefordert, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.