„Vanitas“-Schau im Kolbe-Museum: Alles ist vergänglich, da kannste nichts machen

Ewig ist ’eh nichts“, dieser Untertitel der „Vanitas“-Schau im Georg-Kolbe-Museum klingt ein bisschen lakonisch, irgendwie auch typisch berlin-brandenburgisch mit diesem „eh“ (für: das ist halt so, da kann’ste nichts machen ...). Originellerweise lassen sich 15 bekannte Künstler aus aller Welt, zumeist sind es auch Wahlberliner, darauf ein. Und damit ist dieses „eh“ – sozusagen als Einsicht ins Unabänderliche – auch ins Übergreifende und Allgemeingültige zu verstehen.

Mit „Vanitas“, also der Vergänglichkeit aller Dinge im irdischen Dasein, befassen sich seit jeher alle Weltreligionen, vom Juden- und Christentum über den Buddhismus bis zum Islam. Und alle, speziell an dieser Berliner Ausstellung beteiligten Künstler kommentieren mit ihren Skulpturen eine von Krisen erschütterte Welt.

Der aus Warschau stammende Althamer, geboren 1967, hat den Gesichtsabdruck eines – lebenden! – Venezianers abgenommen und dessen sehr naturalistisch wirkende Maske mit geschlossenen Augen auf unheimliche skelettartige Metall-Gerüste aufgebracht. Wer nun glaubt, die morbide Gestalt sei ein Pendant zu den realen, gruseligen Leichen-Plastinaten des umstrittenen „Körperwelten“-Doktors Gunther von Hagens, der ist auf dem Holzweg. Bei Althamer handelt es sich um echte Kunst, nicht um ein Spektakel, das sich wissenschaftlich/künstlerisch gibt. Das Credo, das gesamte Anliegen des weltweit geschätzten polnischen Bildhauers ist in ästhetischer, poetischer wie sozialer Hinsicht ein völlig anderes.

Da geht es nicht ums Vorspiegeln einer wissenschaftlichen Absicht, nicht um den wohligen Schauder angesichts des allmächtigen unvermeidlichen Todes. Vanitas ist die lateinische Bezeichnung für Nichtigkeit, für eitlen Schein. Der Begriff fand in der Kunst-Epoche des Barocks seine deutlichste Ausprägung – mit Totenköpfen, welken Blumen, erloschenen Kerzen, Stundengläsern oder erlegten Jagdtieren. Und das verweist auf die Vergänglichkeit alles Irdischen. Das sollte, glaubt der im katholischen Nachbarland aufgewachsene und künstlerisch ausgebildete Althamer, doch auch heute zur Mäßigung anhalten und zum Glauben hinführen.

Schockierende wie sensible Vergänglichkeitsgestalt

Eine deftige Prise Ironie aber ist bei ihm im Spiel, wenn der aus Gips und grauer Plastik über dem Metallgestell geformte Venezianer namens „Fabio“ da auf dem Galerieboden hockt, mit seinem „Bänder“-Skelett (statt eines Knochengerüsts). Fast sieht es so aus, als säße er auf einem unsichtbaren Schlitten oder einer Seifenkiste aus der Kinderzeit, das Zieh-Band noch ums rechte Handgelenk geschlungen.

Fast hält man den seltsamen Kerl für einen Zombie oder für die Kreatur einer außerirdischen Zivilisation. Die Vorlage aber war doch ein lebendiger Mensch, wenn auch aus vergänglichem Fleisch und Blut.

„Ich glaube“, sagt Althamer, „Kunst ist ein offenes Feld der Kommunikation, offener als Politik und Religion. Heutige Kunstpraxis ist mehr im Fluss und in Kommunikation mit anderen Bereichen als alles andere, sie ähnelt am meisten dem, was man Freiheit nennt.“

Damit spricht er natürlich auch für seine 14 Kollegen in dieser „Vanitas“-Schau, deren Werke jeweils eine eigene Besprechung verdient hätten, sei es nun die Palästinenserin Mona Hatoum mit ihrem historischen Schrank voller rätselhaft schimmernden gläsernen Kugeln, sei es Dieter Roth mit seinem „Karnickelköttelkarnickel“ oder Tomás Saraceno mit seiner Installation von Spinnen-Netzen mit lebenden, fortwährend produzierenden Spinnen.

Doch Althamers so schockierende wie sensible und zugleich ironische Vergänglichkeitsgestalt schafft wohl am stärksten den Bezug zu Georg Kolbes Bronzen im Haus und im Garten des Museums und auch auf dem nahen Friedhof, wo die Figur einer „Pieta“ von 1928 auf dem Grab von Kolbes Frau beredt von der Vergänglichkeit des Leibes, aber dafür von der Ewigkeit der Liebe – und der Kunst erzählt.

Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee, 25. Bis 31. August 2014, Di–So 10–18 Uhr. Tel. 304-2144, www.georg-kolbe-museum.de