Nachtzüge ab Berlin: Für 26 Euro nach Stockholm, für 49 Euro nach Brüssel

Neue internationale Bahnverbindungen starten im Frühjahr. Tickets können ab sofort gebucht werden. Weitere Angebote sind geplant – unser Überblick.

Mit dem Zug in den Sonnenuntergang: ein Nightjet der ÖBB unterwegs in Europa
Mit dem Zug in den Sonnenuntergang: ein Nightjet der ÖBB unterwegs in EuropaHarald Eisenberger/Österreichische Bundesbahnen (ÖBB)

Über Nacht in andere Länder reisen: Immer mehr Züge machen das möglich. Nachdem deren Netz stark geschrumpft war, wächst es wieder, und Berlin gehört eindeutig zu den Hotspots dieses positiven Trends. In diesem Frühjahr kommen Direktverbindungen dazu, die in die Niederlande, nach Belgien und Schweden führen. Mit der Nachfrage nach den neuen Nachtzügen, für die seit kurzem Tickets gebucht werden können, sind die Betreiber mehr als glücklich, wie aktuelle Anfragen der Berliner Zeitung ergaben. Weitere internationale Routen ab Berlin sind geplant. Ein Überblick über das jetzige sowie das künftige Angebot, was die Fahrgäste erwartet – und wie viel sie zahlen.

Schweden-Nachtzug startet bald in Berlin: Seit September kann man mit dem staatlichen Zugbetreiber SJ über Nacht von Hamburg nach Stockholm reisen. Vom 1. April an wird die Route nach Berlin verlängert. Laut Fahrplan geht es sonnabends gegen 18 Uhr am Hauptbahnhof los, an den anderen Wochentagen startet der Zug kurz nach 18.30 Uhr am Bahnhof Gesundbrunnen. Gegen 10 Uhr soll der Euronight 346, der im Auftrag des schwedischen Staats verkehrt und von ihm bis Herbst bezuschusst wird, in Stockholm eintreffen. Gehalten wird unter anderem am Flughafen Kopenhagen, Malmö, Lund, Nässjö und Norrköping. Zurück geht es an den meisten Tagen um 17.34 Uhr, Ankunft in Berlin gegen 9.30 Uhr. Wegen Bauarbeiten gibt es an mehreren Tagen keine Fahrten.

Zum Billigpreis in den Norden: Bei www.sj.se gibt es Tickets. Wer Glück hat, bekommt die einfache Fahrt Berlin–Stockholm im Sitzwagen für 285 schwedische Kronen, knapp 26 Euro. Im Sommer kann die Reise 564 Kronen kosten, aber auch rund 51 Euro dürften noch als preiswert gelten. Im Liegen ist die Reise natürlich komfortabler, und die Chance auf Schlaf ist deutlich größer. Ein Platz im Liegewagen kann 741 Kronen kosten, knapp 68 Euro – aber auch 1267 Kronen, was knapp 115 Euro entspricht. Der Euronight, dessen Fahrzeuge und Personal die Firma RDC stellt, führt auch Schlafwagen. Hier schwanken die Preise ebenfalls je nach Tag, in der Regel beginnend ab 2092 Kronen (190 Euro) für einen Schlafplatz. Es können aber auch ganze Abteile gebucht werden.

Erwartungen übertroffen: Bei SJ ist man zuversichtlich, dass die neue Route auch nach ihrer Verlängerung von und nach Berlin ein Erfolg bleibt. „Mit dem Nachtzug Hamburg–Stockholm sind wir bisher sehr zufrieden“, teilte Sprecher Peter Kraméus der Berliner Zeitung mit. „Von Anfang an war es SJ wichtig, einen Verkehr zu schaffen, der sowohl Deutsche als auch Schweden anziehen kann. Wir sehen eine etwas höhere Nachfrage als erwartet. Bisher übertrifft der Verkehr 2023 unsere Erwartungen.“ Details wollte Kraméus aber nicht preisgeben. „Der Schienenverkehr ist in Schweden vollständig dereguliert und für den Wettbewerb geöffnet. Wir können nicht näher darauf eingehen, welche Tickets verkauft werden oder wie das Reiseverhalten aussieht“, bedauerte er.

Fahrgäste haben die Wahl: Wettbewerb ist das Stichwort. Von Frühjahr bis Herbst sowie an einigen Tagen im Winter kann man bereits per Zug von Deutschland nach Schweden reisen. In diesem Jahr fährt der private Betreiber Snälltaget, der zur französischen Transdev Group gehört, von Ende März bis Anfang November vom Berliner Hauptbahnhof (20.57 Uhr) mit Halt in Ørestad bei Kopenhagen (6.47 Uhr), Malmö (7.35 Uhr) und weiteren Städten nach Stockholm (14.10 Uhr). Zurück geht es um 16.23 Uhr in Stockholm mit einer geplanten Ankunft in Berlin um 8.47 Uhr. Sonnabends gibt es keine Fahrten – Bauarbeiten und Umleitungen in Schleswig-Holstein würden die Reisezeit zu sehr verlängern. Der Zug hat Sitz- und Liegewagen, Schlafwagen gibt es nicht.

Preiskampf auf der Schweden-Route: Anders als SJ betreibt die Firma Snälltaget ihren Nachtzug eigenwirtschaftlich, ohne Zuschuss vom Staat. Wenig überraschend, dass die Fahrt im Sitzwagen nicht selten mehr als beim subventionierten Konkurrenten kostet. Ein typischer Tarif sind 999 schwedische Kronen pro Weg – etwas mehr als 90 Euro, was aber immer noch preiswerter als andere Reisearten ist. Liegewagenabteile werden nur als Ganzes verkauft. Wer zusammen reist, kann sparen. So zahlen vier Personen für ein ganzes Abteil zum Beispiel am 18. Mai insgesamt 3999 Kronen, rund 360 Euro. Im Juli können es 4999 Kronen (454 Euro) sein. Auch das ist weniger als beim Wettbewerber. 

In die Niederlande, nach Belgien – und weiter nach Großbritannien: In Richtung Westen geht ein weiterer Nachtzugbetreiber an den Start. Das niederländisch-belgische Unternehmen European Sleeper ist von Bahnenthusiasten gegründet worden und hat sich über Crowdfunding Kapital besorgt. Nach Verzögerungen soll die erste Fahrt nun ab Berlin am 25. Mai beginnen. Der reguläre Fahrplan sieht vor, dass es dienstags, donnerstags und sonntags vom Hauptbahnhof um 22.56 Uhr nach Amsterdam (6.31 Uhr), Rotterdam (7.52 Uhr), Antwerpen (8.43 Uhr) und Brüssel Süd (9.27 Uhr) geht. In der Gegenrichtung ist die Abfahrt montags, mittwochs und freitags normalerweise für 19.22 Uhr geplant, mit einer Ankunft in Berlin um 6.48 Uhr. Allerdings bremsen bis August Baustellen den Zug und verlängern die Fahrzeit bis zu zweieinhalb Stunden.

Berlin–London mit einmal Umsteigen: Von Brüssel aus können die Reisenden mit dem Eurostar nach London weiterreisen. Allerdings sollten sie dort für die Grenz- und Sicherheitskontrolle je nach Wagenklasse 45 bis 120 Minuten einplanen. Realistisch ist also eine Weiterfahrt um 12.56 Uhr mit einer Ankunft in London um 13.57 Uhr Ortszeit. Von dort könnte die Rückreise nach Brüssel zum Nachtzug nach Berlin zum Beispiel um 15.04 Uhr beginnen. Die separaten Tickets für den Eurostar sind ab 76 US-Dollar pro Weg erhältlich, können aber auch mehr als 200 Dollar kosten. Früh buchen lohnt.

In drei Komfortklassen nach Westeuropa: In Sitzwagen kostet die Reise im European Sleeper ab 49 Euro pro Person und Weg. Ein Liegeplatz ist ab 79 Euro pro Weg zu haben, ein Platz im (einzigen) Schlafwagen ab 109 Euro. Allerdings zeigen Stichproben, dass die Tickets an mehreren Tagen bereits deutlich mehr kosten – und für den Schlafwagen zum Teil nicht mehr zu haben sind. Das hat mit der großen Nachfrage nach dem neuen Zug zu tun. „Obwohl es noch viel zu früh ist, um voreilige Schlüsse zu ziehen, sind wir mit dem Ticketverkauf in den ersten Tagen sehr zufrieden. Wenn der Verkauf so weiterginge, würden wir genug Tickets für das ganze Jahr verkaufen, bevor der erste Zug abfährt“, freut sich Chris Engelsman, Mitgründer und Chef des Unternehmens. „Wir haben viele Buchungen von und nach Belgien festgestellt, wahrscheinlich auch im Zusammenhang mit der relativ hohen Anzahl von Buchungen aus Großbritannien.“  

Ein Blick in den Schlafwagen des neuen Nachtzugs European Sleeper, der Berlin mit den Niederlanden und Belgien verbindet.
Ein Blick in den Schlafwagen des neuen Nachtzugs European Sleeper, der Berlin mit den Niederlanden und Belgien verbindet.European Sleeper

Mit dem Nightjet nach Zürich, mit dem Euronight nach Wien und Budapest: Während die Deutsche Bahn (DB) 2016 den Betrieb von Schlaf- und Liegewagen beendete, bauten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ihr Nachtzuggeschäft aus. Die Route zwischen Berlin, Freiburg (Breisgau), Basel und Zürich, die sie als Nightjet weiterführen, gehört zu ihren erfolgreichsten Strecken. Los geht es täglich um 20.51 Uhr am Hauptbahnhof, die Ankunft in Zürich ist für 9.05 Uhr geplant. Mitgeführt werden Sitz-, Liege- und Schlafwagen. Der Euronight von Berlin (18.37 Uhr) nach Wien (7 Uhr) lässt eine lange brachliegende Nachtroute wieder aufleben. Auch hier ist im Schlafwagen ein À-la-carte-Frühstück im Reisepreis inbegriffen – mit Wünschen zum Ankreuzen. Die ungarische Bahn MÁV steuert eine Wagengruppe nach Budapest (8.29 Uhr) bei.  

An die ukrainische Grenze: Von Dezember 2023 an soll der Nachtzug Berlin–Wien nicht mehr über Polen, sondern via Prag verkehren sowie über Wien hinaus nach Budapest verlängert werden. Damit es weiterhin eine Tagesrandverbindung von Berlin nach Wroclaw (Breslau) gibt, könnte ein neuer Zug von PKP Intercity die entstehende Lücke füllen. Er soll über Katowice (Kattowitz) und Kraków (Krakau) nach Przemyśl an der Grenze zur Ukraine fahren, hieß es beim jüngsten Deutsch-Polnischen Bahngipfel. Damit würde eine 2021 gestrichene Nachtverbindung wieder eingeführt. Ob Schlaf- und Liegewagen mitgeführt werden, wurde noch nicht bekannt.

Wieder im Schlaf nach Paris: Bis Ende 2014 war es möglich, mit der City Night Line „Perseus“ der DB nachts von Berlin nach Paris zu reisen. Die russische Staatsbahn RZD fuhr noch bis zum Beginn der Corona-Pandemie von Moskau über Berlin nach Paris, zog sich dann aber ebenfalls zurück. Zum Fahrplanwechsel am Ende dieses Jahres könnte die traditionsreiche Verbindung wieder aufleben, als Nachtzug der ÖBB. Berichtet wird, dass der dreimal pro Woche verkehrende Brüssel–Wien-Nightjet ab Dezember 2023 täglich fahren soll, kombiniert mit einem neuen täglichen Nightjet von Brüssel nach Berlin. Damit gäbe es auch zwischen diesen beiden Städten Wettbewerb im Nachtverkehr.  

Bereit für die Reise durch die Nacht: ein Liegewagenabteil im Nachtzug Snälltaget Berlin–Stockholm
Bereit für die Reise durch die Nacht: ein Liegewagenabteil im Nachtzug Snälltaget Berlin–StockholmSnälltaget

Ein schwieriges Geschäft: Die Zeiten, in denen man von Berlin nach Rom, Istanbul, Riga, Nowosibirsk oder an die Côte d‘Azur reisen konnte, sind vorbei. Weil im Zugverkehr im Vergleich zur Luftfahrt mehr Steuern fällig werden, weil sich hohe Trassen- und Traktionskosten durch Fahrgelderträge nicht mehr decken ließen, wurde das Netz der Nachtzüge immer kleiner. „Ein eigenwirtschaftlicher Betrieb von Nachtzügen in Deutschland ist in der Regel nicht möglich aufgrund der hohen Trassenpreise und der Wettbewerbsverzerrungen zum Flugverkehr“, so der Berliner Nachtzugexperte Jürgen Murach. Weil Österreich, Schweden, Finnland und andere Länder Zuschüsse zahlen, ist dort der Betrieb ökonomisch darstellbar. Wenn also Fahrgäste die Fahrpreise zum Teil als zu hoch empfinden, liegt das nicht selten am wirtschaftlichen Umfeld. Und klar, nicht immer kommen Nachtzugreisende erholt am Ziel an. Sie sollten Tipps beherzigen. Es bleibt ein Nischengeschäft – aber eines mit Potenzial und vielen mutigen Akteuren.