Verkehrschaos in Köpenick: Die BVG rät ihren Fahrgästen, zu Fuß zu gehen

Weil Autostau den öffentlichen Verkehr nun schon am Vormittag lahmlegt, sollen die BVG-Kunden laufen. Unterdessen eskaliert in Grünau die Situation.

Ein ganz normaler Tag auf der Bahnhofstraße in Köpenick. Die BVG wird vom Stau ausgebremst.
Ein ganz normaler Tag auf der Bahnhofstraße in Köpenick. Die BVG wird vom Stau ausgebremst.GE-Foto / imago

Für ihre Fahrgäste in Köpenick haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) einen heißen Tipp: laufen statt fahren. Weil der Bus- und Straßenbahnverkehr im Stau auf der Bahnhofstraße fast täglich zum Erliegen kommt, bittet das Landesunternehmen seine Kundschaft inzwischen darum, Zeit für einen rund 20-minütigen Fußweg einzuplanen.

Von der Misere sind Nahverkehrsnutzer auch anderswo im Südosten Berlins betroffen. So wird berichtet, dass regelmäßig Straßenbahnfahrten zwischen Grünau und Schmöckwitz ausfallen. Weil Fahrgäste länger warten müssen, gibt es häufig Stress.

Am Mittwoch war es wieder mal so weit: Weil sich in der Köpenicker Bahnhofstraße erneut die Autos stauten, stellte die BVG den Bus- und Straßenbahnverkehr in diesem Bereich stundenlang ein. Betroffen waren unter anderem die Linien 62, 63 und 68. Anders als sonst begannen die Betriebsunterbrechungen bereits am Vormittag. Auch am Donnerstag meldete die BVG schon in der Frühe Probleme.

Auf der stark genutzten Nord-Süd-Straße in Köpenick gab es immer schon Stau. Und seitdem die Deutsche Bahn (DB) im März damit begonnen hat, ihre Anlagen in Köpenick umzubauen, hat sich das Problem verschärft. Am S-Bahnhof, wo neue Brücken und ein Bahnsteig für den Regionalverkehr entstehen, ist unter der Brücke ein Fahrstreifen weggefallen. Die Hämmerlingstraße steht nicht als Ausweichroute zur Verfügung, auch dort wird an den Bahnbrücken gebaut. Das DB-Projekt soll bis Juli 2027 dauern.

Auch die S-Bahn ist unterbrochen

Für Nahverkehrsnutzer aus dem Südosten ist die Lage besonders prekär, weil seit Montag  die S-Bahn-Strecke über Schöneweide in Richtung Innenstadt gesperrt ist – drei Wochen lang und ebenfalls wegen einer Baustelle. Die Fahrauskunft der BVG lenkt Fahrgäste, die zum Beispiel von Grünau zum Alexanderplatz wollen, nun auf die Straßenbahnlinie 68, die sie zum S-Bahnhof Köpenick zur S3 bringen soll. Im Internet funktioniert die Verbindung selbst dann, wenn der Straßenbahnverkehr wieder eingestellt worden ist. Aber immerhin gibt es jetzt einen Warnhinweis.

„Aufgrund des regelmäßigen Staus in der Bahnhofstraße kann es vorwiegend nachmittags zu Kürzungen von Linien und damit ausfallenden Fahrten kommen“, heißt es auf der BVG-Website. „Damit wird ein regelmäßiger Takt auf den restlichen Linienabschnitten sichergestellt. Bitte planen Sie für den Abschnitt S Köpenick <> Altstadt Köpenick mehr Zeit ein (Fußweg ca. 20 Minuten) und beachten Sie die aktuellen Verkehrsmeldungen.“ Laufen statt fahren: Sieht so die Mobilitätswende aus?

Am Mittwoch erfuhr die Berliner Zeitung, wie weit die Auswirkungen reichen. Normalerweise fährt die 68 über Grünau aus Köpenick hinaus nach Karolinenhof und Alt-Schmöckwitz, der Fahrplan sieht regulär einen 20-Minuten-Takt vor. Doch seit März sind die Wartezeiten oft viel länger, berichtet ein Anwohner aus Karolinenhof.

40 Minuten lang keine Straßenbahn nach Schmöckwitz

„Seit sieben Wochen kommt es fast täglich vor, dass Straßenbahnen, die von Köpenick nach Schmöckwitz durchfahren sollen, ausfallen“, berichtet der BVG-Kunde verärgert. „In Grünau kommen dann nur Bahnen an, die regulär dort enden. Die BVG macht von sich aus keine Anstalten, wenigstens diese Bahnen dann bis Schmöckwitz durchfahren zu lassen.“ Lediglich vor einigen Wochen sei es einmal vorgekommen, dass die BVG-Leitstelle die außerplanmäßige Weiterfahrt nach Schmöckwitz genehmigte. „Zuvor war mehr als 40 Minuten keine Bahn der Linie 68 nach Schmöckwitz gefahren“, hieß es.

Am Dienstagnachmittag wäre die Lage beinahe eskaliert, berichtete der Anwohner. „Nachdem wieder fast 40 Minuten keine Straßenbahn vom S-Bahnhof Grünau nach Schmöckwitz gefahren war, weigerten sich Fahrgäste, aus einer Bahn auszusteigen, die dort enden sollte. Nach Rücksprache mit dem Fahrer und der Leitstelle drohte Letztere, die Polizei gegen die Fahrgäste einzusetzen.“ Es blieb bei der Ankündigung, die Fahrgäste verließen die Bahn.

Doch der BVG-Kunde befürchtet, dass die Stimmung bei einer anderen Gelegenheit überkocht. „Ich schließe nicht aus, dass es in den nächsten Tagen zu einer Räumung kommen könnte“, gibt er zu bedenken. „Die Fahrgäste fühlen sich total im Stich gelassen, und Besserung ist nicht in Sicht. Ist das nicht ein schönes Sinnbild für die Verkehrspolitik in Berlin? Der öffentliche Nahverkehr in der Bahnhofstraße wird regelmäßig eingestellt, während der motorisierte Individualverkehr weiter fahren darf. Eine Bankrotterklärung.“ Bei der Berliner Zeitung meldeten sich Autonutzer, die eine Sperrung der Bahnhofstraße für alle Kraftfahrzeuge außer Busse während der Bauzeit befürworten würden.

Autofahrer ignorieren Rechtsabbiegeverbot am Elcknerplatz

Bei so großen Bauvorhaben wie dem Bahnprojekt in Köpenick und einem stark begrenzten Straßenraum seien Verkehrsbehinderungen nicht vermeidbar, teilte ein Sprecher der neuen Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU) mit. „Mangels einer geeigneten alternativen Route kann auch eine Vollsperrung für Kraftfahrzeuge an dieser Stelle nicht verfügt werden.“ Zwar wurde es verboten, vom Elcknerplatz nach rechts in die Bahnhofstraße abzubiegen, damit nicht noch mehr Autos in den verengten Abschnitt drängen. Doch das Abbiegeverbot wird meist missachtet.

Besserung sei allenfalls mittelfristig zu erwarten, wenn die geplanten Umfahrungen der Bahnhofstraße zur Verfügung stehen, so die Senatsverwaltung. Doch der besonders wichtige Westteil wird frühestens 2028 fertig – wenn alles klappt.

„Vermutlich wird erst ein richtiges Unglück passieren müssen“

Beobachter befürchten, dass sich die Lage auch danach nicht beruhigen wird. Denn der Wunsch vieler Köpenicker, die Brückendurchfahrt am S-Bahnhof erheblich aufzuweiten, wird nicht erfüllt. Dort wird die Bahnhofstraße nur von 16 auf 19 Meter verbreitert. Es entstehen zwar Radfahrstreifen, deren Breite aber nicht den Anforderungen des Berliner Mobilitätsgesetzes entspricht. Auch derzeit werden Radfahrer an den Rand gedrängt: Die Brückendurchfahrt ist für sie gesperrt, es heißt absteigen und durch die Bahnhofshalle schieben. Allerdings hält sich längst nicht jeder Radfahrer daran, was Fußgänger ärgert.

„Vermutlich wird erst ein richtiges Unglück passieren müssen, damit sich was ändert. Als ich sah, wie sich neulich ein Rettungswagen zwischen den im Stau stehenden Fahrzeugen hindurchquälte, da wurde mir ganz anders“, so ein BVG-Busfahrer zur Berliner Zeitung. „Übrigens hat es prima funktioniert, als die Brückendurchfahrt der Bahnhofstraße am S-Bahnhof Köpenick für den Verkehr komplett gesperrt war. Super entspannt. Die Busse hielten direkt vor dem Bahnhof und die Leute hatten keinen langen Fußweg. Hat super funktioniert, und kein Auto stand in der Bahnhofstraße.“

Am Mittwoch gab es an der Haltestelle S-Bahnhof Grünau erneut Ärger auf der 68 – der laut BVG aber offenbar nichts mit dem Stau auf der Bahnhofstraße zu tun hat. Eine Person stellte sich auf die Schienen und hinderte eine Straßenbahn daran, in das Wendegleis zu fahren. Sie sei aber von anderen Passanten aus dem Gleis vertrieben worden, ohne dass die Polizei gerufen werden musste. Eine 40-minütige Taktlücke in Richtung Schmöckwitz entstand, weil der Zug davor wegen eines Fahrzeugschadens ausfiel.