Verkehrspolitik: Berliner Radverkehrskonzept auf der Kippe

Berlin - Eine merkwürdige Stadt, dieses Berlin. Der neue Flughafen lässt lange auf sich warten und wird immer teurer, die Staatsoper Unter den Linden wird ebenfalls später fertig, die S-Bahn schwächelt seit Jahren – und nun droht ausgerechnet einem der ganz wenigen erfolgreichen Projekte eine ungewisse Zukunft. Wie soll man das anderswo erklären?

So viel steht fest: Planer und Politiker haben es geschafft, dass Berlin wieder zu einer Fahrradstadt geworden ist. Sie haben es mit Hilfe vieler neuer Radfahrstreifen und Radwege hinbekommen, dass nicht mehr jede Velo-Fahrt zu einer Zitterpartie wird. Ihnen ist es zu danken, dass viele Berliner den Reiz des Radelns neu für sich entdeckt haben und Berlin-Touristen zu Hause beglückt von den vielen Radrouten erzählen. Jetzt müssten die Planer angesichts des immer größer werdenden Radverkehrs eine Schippe drauf legen. Doch dies steht auf der Kippe. Denn Einsprüche aus der Finanz- und Innenverwaltung haben dazu geführt, dass der neue Masterplan für den Fahrradverkehr auf absehbare Zeit nicht verabschiedet werden kann.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Während sich die Politiker in fast allen Metropolen der westlichen Welt dabei überschlagen, den Radverkehr zu fördern, regiert in Berlin die Stagnation. Während selbst klamme Städte ihre Schatullen öffnen, um Radstreifen pinseln zu lassen und Mietsysteme zu etablieren, wird hier um wenig gefeilscht. Heute werden pro Berliner und Jahr 1,80 Euro für Radwege ausgegeben, langfristig (!) sollen es fünf Euro werden – doch selbst das gilt als zu viel. 17 Millionen Euro jährlich in einer Stadt, die einen hohen neunstelligen Betrag zum Bau eines Flughafens beiträgt, dessen tägliches Passagieraufkommen weit unter der Zahl der Radler liegt, die allein in Mitte unterwegs sind. Ist das noch peinlich? Oder schon ein Skandal?