Neue Wendung im Fall des verschollenen Brandenburgers: Fünf Männer vor Gericht
Seit Wochen bangen die Menschen in Brandenburg um das Schicksal von Nick F., der mutmaßlich in Kapstadt überfallen wurde. Wo er ist, bleibt weiter ein Rätsel.

Im Rücken von Kapstadt, der südafrikanischen Metropole, und am Fuße des gewaltigen Tafelberges liegt das kleine Fischerörtchen Hout Bay, eingerahmt von mehreren kleinen Bergen und einem weiten, flachen Sandstrand. Ein beliebtes Ziel von Wochenendreisenden und auch von Touristen aus der ganzen Welt. Für den 22-jährigen Nick F. muss es ein Gefühl von Freiheit gewesen sein, dort Urlaub zu machen, fern vom grauen Februar in der brandenburgischen Heimat. Am Strand stehen und über den Südatlantik bis hin zum Horizont schauen, durch die kleinen Gassen des Ortes schweifen, in Gedanken vielleicht schon beim Surfkurs, den er in ein paar Tagen machen wollte. Es war seine erste Reise in die Ferne nach vier Jahren. Die erste allein überhaupt so weit weg von der Familie.
Nach zwei Wochen, am 15. Februar, schickte er seiner Mutter zum letzten Mal ein Bild von sich. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.
Es ist die wohl grausamste Erfahrung, die eine Familie machen kann. Das eigene Kind geht zum ersten Mal ganz allein auf Reisen, in die weite Welt hinaus. Man lässt es ziehen, in der Brust ein Gefühl zwischen Sorge und Stolz. Man macht Verabredungen mit dem Kind, so, wie es vielleicht auch die Mutter, der Vater und der Bruder mit Nick machten: jeden Tag ein Lebenszeichen. Und Nick F. meldete sich. Bis zu diesem Bild an seine Mutter, auf dem er in einem Kleidungsgeschäft vor einem Spiegel steht, auf dem Kopf ein dunkler Wanderhut. Wenig später bricht er zu einer Wanderung zum nahe gelegenen, 653 Meter hohen Karbonkelberg im Westen des Fischerörtchens auf. Das belegen Bilder einer Überwachungskamera. Um 16 Uhr wählte sich sein Handy zum letzten Mal ins örtliche Mobilfunknetz ein.
Seit diesem Tag ist sowohl in der Heimat von Nick F., der kleinen Stadt Döbern im Landkreis Spree-Neiße, als auch im südafrikanischen Hout Bay eine Menge passiert. Nachdem die Familie sowohl die brandenburgische Polizei als auch auch die Botschaft und die Behörden in Südafrika kontaktiert hatten, machten sein Bruder Tom und sein Vater André H. im Internet auf den Vermisstenfall aufmerksam. Sie posteten Fotos und Details von Nick auf Instagram und Facebook: „Braune Haare, 1,75 Meter groß, dünn gebaut, aus Deutschland“. Sie baten um die Hilfe der Allgemeinheit. Jeder, der Verbindungen nach Südafrika habe, solle erreicht werden. Jeder Hinweis könne der entscheidende sein. Vater H. besuchte die Redaktion der Märkischen Oderzeitung, Bruder Tom gab mehreren überregionalen Medien Interviews. Inzwischen möchte die Familie nicht mehr sprechen. „Dafür ist gerade alles sehr tragisch, was es zu verarbeiten gibt“, schreibt der Bruder Tom der Berliner Zeitung.
In Döbern engagierte sich auch die freiwillige Feuerwehr, die eine Spendenaktion startete. Nick F. war einer ihrer Kameraden. Die ganze Familie F. ist mit der Feuerwehr eng verbunden. Der stellvertretende Ortswehrführer Marcel Reif sagte der Lausitzer Rundschau: „Wir sammeln Geld, mit dem die Eltern entweder nach Kapstadt fliegen können, um dort die Suche zu unterstützen, oder als finanzielle Unterstützung der Hilfsorganisationen vor Ort.“ Inzwischen sind bald 17.000 Euro Spendengelder zusammengekommen.
Auf der Spenden-Seite schreiben die Feuerwehrleute: „Seine Familie meldete ihn hier in Brandenburg sowie auch bei den Behörden in Kapstadt als vermisst. Seither suchen neben den Behörden auch ehrenamtliche Organisationen vor Ort nach unserem Familienmitglied, Freund und Feuerwehr-Kameraden Nick.“
In Hout Bay ging man währenddessen zunächst von einem Wanderunfall aus. Zahlreiche gut ausgebildete Suchmannschaften, Anwohner und die Polizei versuchten den Vermissten im Gebiet um den Karbonkelberg zu finden. Zu Lande, im Wasser und aus der Luft. Ein an der Suche beteiligter Deutscher berichtete brandenburgischen Medien, dass das Wetter ein entscheidender Faktor bei der Suche sei. „Zwar ist es recht schön, aber teilweise so windig, dass manche Suchteams gar nicht erst zum Einsatz kommen können“, sagte er.
Ende Februar wurde dann bekannt, dass bereits Tage zuvor die Kreditkarte von Nick F. bei einer Razzia im Bungalow einer lokal bekannten Gang gefunden wurde. Zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle befanden sich zwei Verdächtige im Alter von 22 und 23 Jahren im Haus. Offensichtlich keine Unbekannten für die Polizei, die laut Angaben zuvor bereits durch Raubüberfälle, Drogendelikte und Einbrüche in Erscheinung getreten waren. Im Rahmen der Razzia wurde auch allerhand Diebesgut gefunden, wie eine Polizei-Notiz belegt. Und ein Küchenmesser.
Am 21. und 23. Februar wurden insgesamt fünf Verdächtige im Alter von 20 bis 25 Jahren festgenommen und am 28. Februar vor das Amtsgericht Kapstadt gestellt. Ihre Namen laut Bild-Zeitung: Igshaan F., Jason A., Vanroy P., Carlo G. und Melvin G. Sie werden des Raubüberfalls mit erschwerenden Umständen beschuldigt. Bei ihnen fanden Ermittler Handy, Wanderrucksack und weitere Gegenstände des deutschen Touristen, so die Bild.
Wenig später gestand einer der Verdächtigen vor Gericht, Nick F. überfallen zu haben. Dabei habe ein Mittäter auch mit einem Messer auf ihn eingestochen. Wo sich Nick F. befindet und ob er noch am Leben ist, sagte der Verdächtige nicht.
Am Montag, 6. März, sind die fünf Verdächtigen vor dem Amtsgericht von Wynberg, einem Vorort von Kapstadt, erschienen. Die Männer seien des Raubüberfalls angeklagt worden, sagte Eric Ntabazalia von der südafrikanischen Strafverfolgungsbehörde NPA. Die Staatsanwaltschaft hab sich weitere Zeit für Ermittlungen erbeten. Dazu gehörten die Vernehmung von Zeugen, DNA-Analysen sowie eine Auswertung der Handy-Kommunikation der Angeklagten. Der nächste Gerichtstermin wurde auf den 4. Mai angesetzt. In einem Monat also.
Bis dahin geht die Suche weiter. Und das Bangen und Hoffen der Familie in Brandenburg. „Solange er nicht gefunden ist, lebt er!“, schrieb vor wenigen Tagen sein Bruder Tom F. auf Facebook.
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