Verspätungen bei der Berliner Straßenbahn nehmen zu: Die Bahn kommt... immer später!
Berlin - Wer seit einiger Zeit das Gefühl hat, dass die Berliner Straßenbahn nicht mehr so zuverlässig ist wie früher, der bekommt es jetzt schwarz auf weiß. Denn auch die offizielle Statistik zeigt nun, dass die Zahl der Fahrtausfälle bei der Straßenbahn stark gestiegen ist. Zwischen Januar und Mai dieses Jahres haben sie sich nach Informationen der Berliner Zeitung vervierfacht. Wurden im Januar rund 19 000 Kilometer nicht gefahren, so waren es im Mai bereits zirka 77 000 Kilometer. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) versprechen Besserung – aber bis dahin dürfte noch Zeit vergehen.
Drei Wochen ist es her, da hat die BVG 150 Jahre Straßenbahn gefeiert, mit einem Festakt, einem Tag der offenen Tür und einem Oldtimerkorso, dem viele Menschen zuwinkten. Fakt ist aber auch, dass im Jubiläumsjahr immer mehr Fahrgäste nicht gut auf die Straßenbahn zu sprechen sind. Anlass sind Fahrtausfälle, die vor allem Bezirke am östlichen Stadtrand Berlins treffen.
Kündigung, Krankheit, Elternzeit
Dort sind vor allem die Bewohner der Neubaugebiete auf die Straßenbahn angewiesen, weil kein S- oder U-Bahnhof in der Nähe ist. In Marzahn, Hohenschönhausen und anderen Stadtteilen erleben die BVG-Nutzer seit einigen Monaten, dass die Bahnen länger auf sich warten lassen, als im Fahrplan steht. Folge ist nicht selten, dass der folgende Zug noch voller ist als gewohnt.
„Betroffen sind vorwiegend die Verstärkerfahrten auf den Metrolinien M 4, M 5, M 6 und M 8“, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Auch auf den Linien 12, 16, 18 und 67 fielen Verstärker aus. „Grundsätzlich achten die Disponenten darauf, dass die Grundversorgung auf allen Linien erhalten bleibt.“ Doch der Fahrgastverband IGEB bemängelte schon vor Wochen, dass die Linie 18 öfter mal komplett eingestellt wird.
Ein Drittel der Ausfälle liege außerhalb der Verantwortung der BVG – zum Beispiel Demonstrationen, Sperrungen nach Unfällen, Verkehrsbehinderungen. Bauarbeiten seien ein weiterer Störfaktor: Bahnen müssten Umleitungen fahren, was dazu führe, dass noch mehr Personal benötigt werde. Dort liege das Hauptproblem: Der BVG fehlten Fahrerinnen und Fahrern, so Reetz.
Warum ist das so? Beschäftigte kündigen, Azubis brechen ihre Ausbildung ab, erklärte sie. „Außerdem gibt es einen nicht unerheblichen Anstieg bei den Langzeiterkrankungen.“ Elf der rund 180 Straßenbahnfahrerinnen erwarten ein Kind, befinden sich im Mutterschutz oder in der Elternzeit. Seit Juli 2014 können Versicherte nach 45 Jahren Beitragszahlung ab 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen – diese Möglichkeit hätten viele BVG-er genutzt.
Senatsbehörde soll eingreifen
Fahrgastverband fordert, die Fahrpläne anzupassen
„Wir bilden seit Februar 2014 mit der maximalen Lehrgangskapazität neues Fahrpersonal aus – zurzeit 15, von September an sogar 18 Anwärter je Lehrgang“, berichtete die Sprecherin. „Wir gehen davon aus, dass sich die Situation im Laufe des zweiten Halbjahres spürbar verbessert und spätestens zum Jahresende wieder im ,grünen Bereich’ ist.“
Doch nicht jeder teilt die Zuversicht. Obwohl von Normalisierung die Rede sei, erwarte das Landesunternehmen für dieses Jahr intern bereits mehr als doppelt so viele Ausfälle wie 2014, hieß es. Ein Insider zweifelte: „Da fällt es mir schwer, an Besserungen zu gelauben. Ich frage mich auch, ob es stimmt, dass sich die Zahl der Demos, Sperrungen und Verkehrsbehinderungen dermaßen stark erhöht hat.“ Zu vermuten sei eher, dass die BVG ihre Personalplanung „auf Kante genäht“ hat.
Damit die Kundschaft nicht vergeblich wartet, müsse die BVG ihre veröffentlichten Fahrpläne anpassen, forderte der Fahrgastverband: „Die Information ist mangelhaft.“ Gesetzlich sei geregelt, dass Fahrplanänderungen bekannt gemacht werden müssten. Dieser Verpflichtung komme die BVG nicht nach, stellte der Verband fest. „Hier muss die Aufsichtsbehörde eingreifen.“