Verunreinigtes Schulessen: Möhren zum Nachtisch
Berlin - Für die 33 Hortkinder der Richard-Wagner-Grundschule in Karlshorst gab es am Montagmittag einen Gemüsenudeleintopf. Der kam allerdings nicht wie sonst vom Großanbieter Sodexo , sondern aus der kleinen, schuleigenen Küche – gekocht von zwei Erzieherinnen. Die Karlshorster Schule ist eine von 76 Bildungseinrichtungen in Berlin, in denen Ende vergangener Woche Hunderte Kinder und Jugendliche an Magen-Darm-Infektionen erkrankt waren.
Ihnen allen gemeinsam war, dass sie Mittag vom Großcaterer Sodexo gegessen hatten. Wie die Gesundheitsverwaltung mitteilte, wurden den Gesundheitsämtern am Montag weitere 442 Fälle gemeldet, es waren meist aber Nachmeldungen aus der vergangenen Woche. Betroffen sind nun alle zwölf Bezirke, insgesamt liegt die Zahl der Erkrankten bei 2655.
70 Schulen und 30 Kitas betroffen
Als erste Konsequenz aus den vielen Erkrankungen wird Sodexo in dieser Woche weder Schulen noch Kindertagesstätten in Berlin mit Mittagessen beliefern. Das teilte die Senatsverwaltung für Schule am Montag mit. „Sodexo hat uns darüber am Sonntag in Kenntnis gesetzt“, sagte Behördensprecher Thorsten Metter. Seinen Angaben zufolge beliefert Sodexo in Berlin 30 Kindertagesstätten und 110 Schulen mit Mittagessen, die Zahl der vom Lieferstopp betroffenen Schulen ist aber deutlich geringer – schließlich sind Ferien und wegen der Hortbetreuung nur Grundschulen geöffnet. Metter zufolge handelt es sich um 70 Grundschulen.
„Bei uns gab es schon am Freitag kein warmes Mittagessen“, erzählte am Montag Martina Kerrmann, stellvertretende Leiterin der Richard-Wagner-Grundschule. Von den 260 Kindern, die den Schulhort besuchen und dort auch Mittag essen, waren 100 erkrankt, die meisten von ihnen erst am Freitag. Weil zunächst nicht klar war, wie sich die Lage in der neuen Woche darstellt, habe man Eltern empfohlen, den Kinder für den Hort einfach mehr Essen in die Schule mitzugeben.
Um in Erfahrung zu bringen, ob es alternative Verpflegungsmöglichkeiten für die Kinder gibt, habe sie sich am Montagmorgen bei der Bildungsverwaltung erkundigt, sagte Kerrmann. Nach einigem Hin und Her sehr dann die Entscheidung getroffen worden, einen Tag lang selbst für die Kinder zu kochen. „Es hat ihnen auch geschmeckt. Nur einen richtigen Nachtisch hatten wir nicht. Es gab einfach Möhren“. Ab Dienstag werde die Schule dann von einem neuen Anbieter mit Essen beliefert.
Spätestens am Dienstag sollen die vom Lieferstopp betroffenen Schulen und Kitas schnell unbürokratisch Hilfe bekommen. „Um die Versorgung für die Kinder sicher zu stellen, erhalten sie pro Kind und Tag zwei Euro“, sagte Thorsten Metter von der Schulverwaltung.
Keine Verträge gekündigt
Verträge mit Sodexo wurden bislang nicht gekündigt. „Dafür gibt es keine Veranlassung“, sagte der Schulplaner des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, Wilhelm Blecker. „Sodexo ist ein vertrauenswürdiger Versorger.“ Bevor Entscheidungen getroffen werden, müssten die Untersuchungsergebnisse abgewartet werden. In einer Stadt wie Berlin sei eine alternative Versorgung jedenfalls kein Problem – es gebe ja viele Anbieter. Blecker lobte die Schulen für ihr konsequentes Handeln.
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„Wir hatten im Bezirk kaum Anrufe von besorgten Eltern, weil sie alles mit den Schulen direkt klären konnten.“ Das Informationsnetz habe sich als gut erwiesen, die Öffentlichkeitsarbeit habe gut geklappt. An vier Grundschulen in Charlottenburg-Wilmersdorf waren Kinder erkrankt.
In Pankow, wo 240 Schüler und Lehrer am Magen-Darm-Virus erkrankt waren, hatte das Bezirksamt bereits am Freitag allen Einrichtungen schriftlich geraten, konsequent auf Sodexo-Essen zu verzichten. „Es war Gefahr im Verzug“, rechtfertigte der zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) diesen Schritt. Deshalb war es nötig, die Öffentlichkeit unter Nennung des Namens Sodexo zu informieren.