Vier Schüsse in den Hinterkopf: Jäger zu lebenslanger Haft verurteilt

Ein 42-Jähriger soll seinen Freund in Rüdersdorf bei Berlin umgebracht haben. Ein Motiv blieben die Richter des Landgerichts Frankfurt (Oder) schuldig.

Sascha K. (l.) mit seinem Anwalt Peter Parzyjegla
Sascha K. (l.) mit seinem Anwalt Peter ParzyjeglaKatrin Bischoff/Berliner Zeitung

Am Ende konnten die Richter nicht mit Sicherheit sagen, ob die in der Wohnung des Angeklagten gefundene Vostok-Pistole, Kaliber 22, die Tatwaffe war. Auch wenn daran Blut des Opfers gefunden wurde. Vielleicht war die Tatwaffe doch die aus der Waffensammlung des angeklagten Hobbyjägers verschwundene Pistole vom Typ Walther gleichen Kalibers. Die Kleinmunition hatte sich im Schädel des Mordopfers zerlegt, sodass sie nicht mehr zum Abgleich herangezogen werden konnte.

Die Richter konnten auch nicht das Motiv für den Mord benennen. Der Staatsanwalt war von Habgier ausgegangen. Davon jedoch war die Kammer nicht überzeugt. „Es fällt uns schwer zu glauben, dass der Angeklagte seinen Freund wegen 3200 Euro getötet haben soll“, sagt Claudia Cottäus, die Vorsitzende Richterin der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) an diesem Donnerstag.

Die Kammer sei zwischendurch sogar einmal nicht ganz sicher gewesen, ob der Richtige auf der Anklagebank sitze, gibt Cottäus zu Beginn ihrer Urteilsbegründung zu. Und doch spricht sie den Angeklagten an diesem 20. Verhandlungstag schuldig. Der 42-jährige Sascha K. muss wegen heimtückischen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen.

Nach Überzeugung der Kammer brachte Sascha K. seinen Freund Domenic F. aus Rüdersdorf (Märkisch-Oderland) um. Der 27-Jährige soll seit seinem 16. Lebensjahr mit Drogen gedealt und vor Jahren wegen seiner einstigen Drogengeschäfte Kontakt zu Rockern gehabt und auch Schutzgeld an sie gezahlt haben.

Domenic F. trug 3200 Euro mit sich

Nach Ansicht der Richterin hatte Sascha K. spätestens Anfang Mai vergangenen Jahres den Plan gefasst, Domenic F. zu töten. Es sei ihm bekannt gewesen, dass sein Freund unbedingt zwei Revolver haben wollte. Am Abend des 11. Mai habe Sascha K. das Opfer unter dem Vorwand, sich mit einem Waffenhändler treffen zu wollen, aus der Wohnung gelockt.

Was dann geschah, schildert Cottäus so: Mit dem alten Ford Focus des Angeklagten fuhren die beiden Männer in ein Waldstück unweit einer Autobahnbrücke. Kurz nach 22.30 Uhr muss der Wagen dort eingetroffen sein. Das hatte Sascha K. vor Gericht zugegeben, zudem war zur fraglichen Zeit ein Fahrzeug durch eine in der Nähe installierte Baustellenüberwachungskamera aufgenommen worden.

Domenic F. hatte einen Stoffbeutel dabei, in dem vermutlich 3200 Euro für die zwei Waffen und sein Handy vom Typ Samsung Galaxy steckten. Um 22.34 Uhr schrieb der Angeklagte dem angeblichen Waffenhändler eine SMS mit nur einem Wort: „Los“. Die Nachricht versandte er an seine alte Handynummer.

Domenic F. habe sich als Beifahrer keines Angriffs versehen, als Sascha K. im Dunkeln ausgestiegen sei und die hintere Tür des Fahrzeugs geöffnet habe, sagt Cottäus. Der Angeklagte habe seine unter einer Decke versteckte Waffe gezogen und Domenic F. „aus kurzer Distanz und in kurzer Abfolge viermal in den Hinterkopf geschossen“. Das Opfer sei sofort tot gewesen.

Nach der Tat habe der Angeklagte den Leichnam des 95 Kilogramm schweren Opfers mit einem Gurt aus dem Auto gezogen und „im Wald entsorgt“. Gegen 22.43 Uhr verließ Sascha K. mit seinem Auto den Tatort. 32 Minuten später traf er in seiner Wohnung in Steinhöfel ein, schickte seinem toten Freund – wohl, um von sich abzulenken – eine Whatsapp-Nachricht, in der er ihn bat, dass er sich melden solle, wenn er abgeholt werden wolle. „Ich gehe jetzt schlafen“, schrieb er weiter. Die Leiche von Domenic F. wurde erst zwei Tage später gefunden.

Cottäus sagt, Sascha K. habe nach der Tat sein Fahrzeug und die Waffe gereinigt. Er sei am nächsten Tag mit einem Bekannten zur Jagd gefahren, in den Alltag zurückgekehrt. Nahezu alle Zeugen hatten nach Angaben der Richterin nur Positives über den Angeklagten zu berichten gewusst.

Ich habe meinen Freund nicht erschossen – ehrlich.

Sascha K., Angeklagter

Sascha K. habe seit zehn Jahren keinen Alkohol mehr getrunken und auch keine Drogen genommen. Die Zeugen sagten aus, dass er ein gutmütiger, besonnener und kameradschaftlicher Mann sei. Seine Arbeitgeber sprachen von einem angenehmen, fleißigen und zuverlässigen Angestellten. Doch all das sei nicht geeignet für „vernünftige Zweifel an der Täterschaft“.

Nach der Auswertung aller Indizien sei die Kammer daher zu der zweifelsfreien und sicheren Überzeugung gekommen, dass Sascha K. der Mörder von Domenic F. sei. An dem in Tatortnähe gefundenen Gurt wurde DNA des Angeklagten gefunden sowie Fingerabdrücke auf einem ebenfalls dort entdeckten Müllsack. Zudem lag das Handy des getöteten Mannes in der Wohnung von Sascha K. Die Funkzellenauswertung belege, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt am Tatort gewesen sei.

Laut Cottäus hatte Sascha K. seinen Freund schon zweimal zuvor zu fingierten Treffen mit einem Waffenhändler gefahren, der sie dann angeblich versetzt habe. Diese Treffen hätten nur einen Sinn gehabt: Domenic F. heiß zu machen, sich am Tattag im Dunkeln und an einer abgelegenen Stelle im Wald an der Autobahn zu treffen. Den Ort habe der Angeklagte bewusst ausgesucht, „zum Zwecke der Tötung eines Menschen“, wie die Richterin sagt.

Vor allem die im Prozess vom Angeklagten vorgetragene Version des Tatgeschehens hatte es den Richtern offenbar nicht leicht gemacht. Denn auch damit lasse sich die Spurenlage erklären, berichtet Cottäus. Sascha K. hatte zu Beginn der Verhandlung geleugnet, seinen Freund erschossen zu haben. Er sprach von dubiosen Drogengeschäften des Getöteten, von Rockern, die auf seiner Arbeitsstelle erschienen seien, ihn bedroht und mit den Drogengeschäften von Domenic F. in Verbindung gebracht hätten.

Geschichte vom tätowierten Typen

Später habe ihm mehrfach ein stark tätowierter Typ an seinem Wohnort aufgelauert, hatte der Angeklagte gesagt. Deswegen habe er ein klärendes Gespräch mit dem Tätowierten und Domenic F. vereinbart. Dabei habe sein Freund bestätigen sollen, dass er nichts mit den Geschäften zu tun habe. Da Domenic F. kein Interesse an so einer Klärung gehabt habe, sei er auf die Idee mit dem Waffenhändler gekommen.

Am Tatabend will Sascha K. das Opfer abgeholt haben und mit ihm in den Wald gefahren sein. Die Pistole habe er lediglich zum Selbstschutz mitgenommen. Im Wald habe sich der Unbekannte, wohl wegen des starken Regens, auf die Rückbank des Wagens gesetzt und Geld von Domenic F. verlangt. Es sei zum Streit gekommen. Dann habe der mysteriöse Tätowierte die Waffe gefunden und auf den Freund geschossen. Auch auf ihn, Sascha K., sei die Waffe gerichtet worden. Doch die Pistole habe versagt. Der Tätowierte sei verschwunden.

In Panik will Sascha K. dann die Leiche aus dem Auto gezerrt, seinen Wagen und die Waffe gründlich gereinigt haben. Im Fahrzeug habe er auch das Handy seines Freundes gefunden und behalten.

Diese Geschichte, die früheren Aussagen des Angeklagten widerspricht, nennt Cottäus rätselhaft. Warum sollten Rocker glauben, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln handele? Ein Mann, der auf einer Hühnerfarm arbeite, einen bescheidenen Lebenswandel führe, ein altes Auto fahre, Hunde und ein Reptil besitze?

Es gebe nach Angaben der Richterin auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Domenic F. immer noch einen solchen Drogenhandel geführt habe, der die Hells Angels auf den Plan gerufen hätte. Es sei zudem unverständlich, warum die Rocker den Kontakt zu Domenic F. über den Angeklagten gesucht haben sollen. Und: Warum reinigte Sascha K. die Schusswaffe, zog die verklemmte Patronenhülse mit einer Zange heraus und vernichtete damit die einzigen Spuren, die seine Tatversion bestätigt hätten?

Mit ihrem Urteil folgt die Kammer der Forderung des Staatsanwalts. Peter Parzyjegla, der Verteidiger von Sascha K., hatte auf Freispruch plädiert. Ob er in Revision geht, ist unklar. In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung sagte der Angeklagte: „Ich habe meinen Freund nicht erschossen – ehrlich.“