Vladimir Malakhov verlässt Staatsballett Berlin: Der Prinz geht
Berlin - Hinter den Kulissen hat man es schon vor Wochen gehört, jetzt wurde es auch offiziell bekannt: Vladimir Malakhov geht. Der Intendant des Staaatballetts, der vor elf Jahren nach Berlin kam, ein völlig desolates Ballett übernahm und es zum Erfolg führte, wird 2014 das Ensemble verlassen. Am Freitagmittag hat er dies seinen Mitarbeitern bekannt gegeben, in dem schönen, erstklassigen Ballettzentrum, das er zusammen mit dem Staatsballett vor zwei Jahren in der Deutschen Oper bezogen hat.
Berlin liebt ihn, er liebt Berlin
Diese Entscheidung dürfte ihm unendlich schwer gefallen sein, denn Malakhov liebt Berlin. Hier hat er, nachdem er Anfang der 90er Jahre Moskau verlassen hat und lange durch die Welt getourt war, eine neue Heimat gefunden. Und: Berlin liebte ihn zurück. Zumindest in den ersten Jahren, als Malakhov mit seiner Aura des Ballettweltstars dem darniederliegenden Berliner Ballett Glamour verlieh und sich die bei Ballettvorstellungen leer gefegten Opernhäuser wieder zu füllen begannen. Das waren seine großen Zeiten, als er dann sehr schnell eine hochkarätige Compagnie aufbaute, mit der damals gerade erst achtzehnjährigen Polina Semionova, die er vom Fleck weg zur ersten Solistin machte – sein größter Trumpf.
Dass die Klassiker, die er selbst für die Compagnie neu inszenierte, nicht einmal mäßig waren: geschenkt. Ebenso, dass ihm das Händchen für das zeitgenössische Ballett völlig fehlte. Als Malakhov 2002 sein Amt antrat – zunächst als Direktor des Balletts der Staatsoper, ab 2004 als Intendant der zum Staatsballett fusionierten drei Compagnien der Stadt – , hatten die Opernreform und die Einsparungen, die die Opernintendanten im unvertretbaren Maß dem Ballett aufbürdeten, die Compagnien nahezu zerstört.
Und Vladimir Malakhov brachte all die Dinge mit, die es brauchte, um das Ballett aus dieser desolaten Lage heraus zu führen. Das war es, was zählte. Lange, zu lange hat es deswegen gebraucht, bis man den Ballettintendanten zu kritisieren begann.
Denn in der Zusammenarbeit mit Malakhovs Stellvertreterin Christiane Theobald und dem Geschäftsführer Georg Vierthaler standen künstlerische Fragen oft hintenan. Gut ist, was das Haus füllt, war das oberste Motto. So wurde in jeder Spielzeit eine Serie von Gala-Abenden ins Programm gehoben, in denen Ballett zum Zirkus verkommt und die sich andere Häuser nur aus wirklich festlichen Gründen in Ausnahmefällen gestatten. Überdies waren die wenigen großen zeitgenössischen Produktionen fast alle unbefriedigend. Gut getanzt wird beim Staatsballett, darauf kann man sich verlassen. In Verbindung mit einem soliden Klassikrepertoire und dem Glamour, den Malakhov verbreitete – auf ihn als Startänzer war das gesamte Marketing des Staatsballetts zugeschnitten – reichte es, um das Haus voll zu bekommen.
Zu alt als Tänzer
Nur künstlerisch befriedigend war diese Situation schon lange nicht mehr. Als Tänzer wurde Malakhov zu alt, als Intendant hat er nie seine Rolle gefunden. Nun hat Malakhov, vielleicht halb freiwillig, aber wohl auch, weil ihm aus der Senatsverwaltung entsprechendes signalisiert wurde, die Konsequenz gezogen. Dass er geht, ist traurig. Denn er hat sich dem Berliner Publikum und dem Berliner Ballett ganz verschrieben. Mit seiner vollen leidenschaftlichen Ballettprinzen-Liebe für den Tanz, ohne die er nie eine solche Wirkung hätte entfalten können. Nicht als Tänzer und nicht als Leiter einer Compagnie.
Die Senatsverwaltung muss sich nun fragen, wie es weiter gehen kann. Staatssekretär André Schmitz soll sich bereits auf die Suche begeben haben. Erste Namen sind gefallen, mit Nacho Duato sollen bereits Verhandlungen geführt werden. Doch das wäre eine Art Supergau. Nicht nur, weil der Spanier seine große Zeit als Choreograf hinter sich hat. Duato hat in seinem Leben großartige Stücke choreografiert, wie etwa seinen rasanten Bach-Dauerbrenner „Vielfältigkeit – Formen von Stille und Leere“. Aber mit seiner immer leicht ins seichte schwappenden und auf den Erfolg kalkulierten Kunst steht Nacho Duato genau für die Richtung, von der sich das Staatsballett mit Malakhovs Weggang nun unbedingt verabschieden sollte.
Gute Ausgangslage
Anders als früher, als junge zeitgenössische Choreografen rebellieren und das klassische Ballett in Grund und Boden stampfen mussten, kann heute beides sehr gut nebeneinander existieren. Wie gut, das zeigt sich nirgendwo so deutlich, wie bei dem renommierten Stuttgarter Ballett, der bedeutendsten Compagnie Deutschlands. Dort tanzt man Klassik auf hohem Niveau und dass Stuttgart die Choreografenschmiede Nummer eins in Deutschland und vielleicht überhaupt in Europa ist, dürfte nicht zuletzt damit zu tun haben, dass die Choreografen dort auch mit dem klassischen Repertoire bestens vertraut sind.
Von der Senatsverwaltung muss man jetzt Klugheit, Geschick und eigentlich nur wenig Mut erwarten. Denn Vladimir Malakhov hinterlässt eine grundsolide Situation. Die Auslastungszahlen sind sehr gut. Es gibt einen Grundstock an guten Klassikern, den man sicher noch erweitern kann. Nur das zeitgenössische Feld, das muss künstlerisch neu bestellt werden. Es sollte jemand berufen werden, dem man zutraut, das eine zu bewahren und das andere aufzubauen. Sonst wäre mit Vladimir Malakhovs traurigem Weggang nichts gewonnen.