Volksbegehren: Juristische Feinheiten statt klarer Uhrzeiten

Auf Plakaten und Flugblättern ließen die Initiatoren keinerlei Zweifel, worum es geht. „BER-Nachtflugverbot 22-6 Uhr“ stand da, gelb auf nachthimmelblau oder in anderen Farben. Mehr als 106.000 Brandenburger stimmten im vorigen Jahr dafür und bewirkten so den ersten Erfolg eines Volksbegehrens im Land. Der Text, den sie unterschrieben, enthielt jedoch keine konkreten Angaben zu nächtlichen Ruhezeiten. Vielmehr hieß es dort: „Der im Gesamtraum Berlin-Brandenburg bestehende Bedarf an Luftverkehrskapazitäten soll derart gedeckt werden, dass am Flughafen Berlin-Brandenburg International (BER) Tagflug, aber kein planmäßiger Nachtflug stattfindet, um Lärmbetroffenheiten zu reduzieren.“

Dass die Volksinitiative keine Uhrzeiten nannte, wird mit juristischen Feinheiten erklärt. „Nacht“ sei zudem ein festgelegter Begriff. Im Immissionsschutzgesetz Brandenburgs, das auch Lärm regelt, heißt es: „Von 22 Uhr bis 6 Uhr sind Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind.“ Das einschlägige Berliner Gesetz ist beim „Schutz der Nachtruhe“ noch eindeutiger: „Von 22.00 bis 6.00 Uhr ist es verboten, Lärm zu verursachen, durch den jemand in seiner Nachtruhe gestört werden kann.“

Dennoch fällt auf, dass die Landesregierung, die mit Berlin und dem Bund über nächtlichen Lärmschutz verhandeln will, jede Festlegung vermeidet. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) spricht stets nur von „mehr Nachtruhe“, die er erreichen wolle. Die Linkspartei, die auf eine Neuregelung gedrungen hatte, geht etwas weiter. Es gehe um eine „Nachtflugbegrenzung“, so Fraktionschef Christian Görke. Von einem Verbot ist keine Rede.

Auf andere Flughäfen ausweichen

Begründet wird dies auch damit, dass die BER-Mitgesellschafter Berlin und Bund zustimmen müssten. Bisher war Konsens, dass in Schönefeld künftig nur zwischen Mitternacht und fünf Uhr Ruhe herrschen soll. Einen Alleingang will Brandenburg nicht. Die Aufforderung im Volksbegehren lautet: „Der Landtag möge beschließen, die Landesregierung aufzufordern, in Verhandlungen mit dem Land Berlin einzutreten“, um den gemeinsamen Staatsvertrag von 1997 zu ändern.

Inhalt dieser Änderung solle außer dem Ausschluss von „planmäßigem Nachtflug“ ein mögliches Ausweichen auf andere Flughäfen sein. Im amtlichen Text steht: „Dabei soll der nationale und internationale Luftverkehrsanschluss für Berlin und Brandenburg nicht allein auf den Ballungsraum Berlin konzentriert werden.“ Diesen Passus haben Kritiker des Volksbegehrens – auch SPD und Linke – als Hauptgrund für ihr Nein angeführt. Die Initiatoren selbst haben sich inzwischen davon distanziert, dennoch wird er im Landtag mitbeschlossen – ebenfalls aus juristischen Gründen. (gbü.)