Volksentscheid: Angela Merkel schreckt CDU mit Tegel-Kommentar auf

Absage – welche Absage? Die Berliner CDU hat sich am Montag bemüht, eine Einlassung ihrer Bundesvorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Tegel-Volksentscheid ins rechte Licht zu rücken. „Die Kanzlerin hat die geltende Rechtslage beschrieben, und zwar treffend“, sagte Generalsekretär Stefan Evers. „Aber diese Rechtslage kann man ändern.“

Davon hatte Merkel am Vorabend freilich nichts gesagt. Im Sommerinterview des ZDF war die Kanzlerin nach ihrer Meinung zum Tegel-Volksentscheid gefragt worden. In einem eher spielerischen Teil des Gesprächs sollte sie fiktive Zeitungsschlagzeilen kommentieren. Eine davon – datiert auf den Tag nach dem Tegel-Volksentscheid – lautete: „Merkel sagt Ja zu Tegel.“ Mit feinem Lächeln kommentierte sie: „Die Rechtssituation ist eine andere, und deshalb wird es diese Schlagzeile nicht geben.“ Ende der Durchsage – Sympathie für das Anliegen der FDP, dem sich die Berliner CDU zwischenzeitlich per Mitgliedervotum angeschlossen hat, ließ Merkel nicht erkennen.

Allerdings verlieh sie ihren Worten auch keinen weiteren Nachdruck. Und so tat Merkel, was sie gern tut, wenn eine Angelegenheit keiner dringenden Klärung bedarf und eine Festlegung ihr nicht nützt: Sie blieb im Ungefähren.

Dass die Rechtslage ist, wie sie ist, bestreiten nämlich auch die Befürworter der Tegel-Offenhaltung nicht. Es gibt einen gültigen Beschluss, den West-Berliner Flughafen spätestens ein halbes Jahr nach der BER-Eröffnung zu schließen, wann auch immer es soweit sein mag. Umstritten ist, ob sich dieser Widerruf der Betriebsgenehmigung widerrufen lässt und welche Folgen das hätte. Der Senat und die Koalitionsparteien vertreten den Standpunkt, dass dann ein neues Genehmigungsverfahren für Tegel nötig wäre. Das könne Jahre dauern, und es sei höchst ungewiss, ob die Genehmigung am Ende erfolgreich wäre.

Ryanair wirbt kräftig mit

Auch die CDU vertrat diesen Standpunkt bis vor kurzem. Anfang des Jahres leiteten Generalsekretär Evers und Fraktionschef Florian Graf die Wende ihres Landesverbandes ein, auch der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen – der die Tegel-Schließung einst beschlossen hatte – erklärte seine Unterstützung. Der Vorstand beschloss schließlich einen Mitgliederentscheid, der deutlich ausfiel. 83 Prozent der Teilnehmer an der Abstimmung sprachen sich für die Offenhaltung aus. Es gab in sämtlichen Bezirksverbänden eine klare Mehrheit, auch in Pankow, Reinickendorf und Spandau, wo der Fluglärm am lautesten ist.

Den rechtlichen Spielraum hatte die Union in einem Gutachten bewerten lassen, das die irische Fluggesellschaft Ryanair finanzierte. Fazit: Die rechtlichen Risiken seien überschaubar.

Das Hauptproblem der Flughafenpolitik, so betonte Evers am Montag, seien die fehlenden Kapazitäten am BER. „Er wurde vor über 20 Jahren viel zu klein geplant“, sagte Evers. Ryanair möchte in Tegel eine Basis aufbauen und dort mehrere Flugzeuge stationieren.

Für die Fluggesellschaft wäre dieses Engagement ein Teil des Generalangriffs auf die Lufthansa. Die Iren wollen sich nach dem Ende von Air Berlin als Nummer zwei auf dem deutschen Markt etablieren – Manager des Unternehmens haben mehrfach erklärt, sie rechneten damit, dass im Jahr 2050 bis zu 90 Millionen Passagiere an den Berliner Flughäfen abgefertigt werden. Die offizielle Prognose lautet derzeit 55 Millionen. Allerdings sind diese Prognosen mit Unsicherheiten behaftet – auch den derzeitigen Boom des Luftverkehrs hatten Analysten im vorigen Jahrzehnt nicht vorausgesehen.

Für eine differenzierte Position wirbt der frühere CDU-Justizsenator Thomas Heilmann, der derzeit als Direktkandidat in Steglitz-Zehlendorf für seinen Einzug in den Bundestag wirbt. Er empfiehlt ein Ja für die Offenhaltung im Volksentscheid – und rechnet dennoch damit, dass Tegel mittelfristig schließen muss. „Eine dauerhafte Offenhaltung würde beklagt werden“, sagte Heilmann der Berliner Zeitung. „Und ich glaube, die Kläger wären erfolgreich.“ Spielraum sieht Heilmann hingegen dafür, Tegel so lange offenzuhalten, bis am BER die notwendigen Kapazitäten geschaffen sind. In jedem Fall sei die Rechtslage sehr viel komplizierter, als es die Volksentscheid-Initiatoren von der FDP glauben machen. Dieser Einschätzung würde wohl auch die Kanzlerin zustimmen.