Vom Abenteuer, mit Kindern in Prenzlauer Berg essen zu gehen
Als Betroffene ist es anstrengend, als Zuschauer erheiternd: Wenn Kinder am Nebentisch das Restaurant als Spielplatz erkunden.

Einer oder eine kommt immer nicht zum Essen. Meistens ist es eine, doch an diesem Abend auf der Kastanienallee hat Papa Dienst. Im Fünf-Minuten-Takt muss er aufspringen, um den Nachwuchs davon abzuhalten, vor die Tram zu laufen oder dem Kellner in die Beine, Topfpflanzen zu ärgern oder goldene Elefanten umzustellen.
Der Nachwuchs, das sind: Ein sehr blondes Mädchen namens Arielle und ihr Bruder. Ob der wohl Nemo heißt? Unwahrscheinlich. Arielle jedenfalls hat nichts von einem Fabelwesen mit Fischschwanz. Ihr Gesicht ist liebreizend schief und die Frisur so asymmetrisch, dass sie schwer nach Bastelschere aussieht. Das kahle Dreieck an ihrer Stirn setzt sich im Muster des väterlichen Pullunders fort. Der Kontrast zu ihrem Namen ist köstlich und ich hoffe im Stillen, dass sie ihre Revolte fortsetzt. Teenager mit dem Namen Arielle dürften es nicht leicht haben. Außer, sie vermitteln Punk satt.
Am Nebentisch nimmt eine dreiköpfige Familie Platz
Und Nemo, ich nenne ihn einfach trotzdem so, könnte gleich etwas lernen über weibliche Selbstermächtigung. Weiterlernen, denn heute sieht es so aus: Arielle schwimmt vorneweg und Nemo paddelt hinterher. Ganz am Ende folgt Papa. Er schwitzt schon ein wenig, lacht aber noch. Sein Hühnercurry wird er zu Hause genießen.
Am Nebentisch nimmt eine dreiköpfige Familie Platz. Kind und Vater haben orangefarbene Haare. Das kleine Mädchen, seinen Namen erfahre ich nicht, will alle Speisekarten haben und zeigt nach dem Zufallsprinzip auf Gerichte. Es verlangt nach einem Butterbrot. Keine gewöhnliche Bestellung in einem indischen Restaurant, aber mit der Vehemenz, mit der es sich aus seinem Kinderstuhl stemmt, der Kopf so rot wie der Schopf, wird es seinen Willen durchsetzen.
Der Vater trinkt Weißwein, Ende offen
Ich denke an mein eigenes Kind und wie es vor vielen Jahren beim Italiener ein „Oderbo“ verlangte. Während wir noch rätselten, was das sein könnte, brachte der Kellner schon Brot mit Butter. Er habe schließlich auch einen Jungen in dem Alter, so die Begründung für seine Sprachkompetenz. Wir notieren das Wort ins innere Lexikon. Dort stehen schon „Choko“ für Schokolade, „Yoto“ für Jogurt und „Jai“ für Wasser. Yoto und Jai würden gut hierher passen, zu den Buddha-Figuren und den Lassi-Gläsern.
Um ihre Tochter bis zum Essen abzulenken, geht die Mutter mit ihr zu den Elefanten am Eingang. Sie stehen ein bisschen schief. Arielle war schließlich da. Bei dieser kleinen Familie ist zunächst die Mutter dran. Der Vater trinkt Weißwein. Ende offen.