Vom Duft der Bücher
In Berlin sind die öffentlichen Büchereien oft in Einkaufszentren, warum eigentlich?

Das Vibrieren im Brustkorb beim Betreten einer Bibliothek ist ein anderes als der kleine innere Aufruhr in einer Buchhandlung. Es gleicht einem Fieber, das weder zu behandeln ist noch möchte man das. Es gehört in diese Räume wie die Bücher, Filme, Zeitschriften, Hörspiele und was sie noch bieten, je nach Standort. Doch anders als im Buchladen braucht man kein Geld, um die Schätze mit nach Hause nehmen zu dürfen. Nur das Kärtchen, ausgestellt von einem freundlichen Menschen – ich habe noch niemals ein verkniffenes Gesicht hinter dem Empfangstresen einer Bücherei gesehen – mit einem der schönsten Berufe der Welt.
Ich staune immer wieder, an welchen Orten Stadtteil-Bibliotheken, die kleinen Geschwister der ehrwürdigen Häuser, sich verstecken. Man muss zum Beispiel genau hinsehen oder Bescheid wissen, wenn man den Eingang zu der nicht übersehen will, die den Namen Bettine von Arnim trägt. Schmal ist er und wirkt noch bescheidener neben den vielen knalligen Schriftzügen rund um das Portal zu den Schönhauser-Allee-Arkaden. Shoppingmall und Bücherei: Eine häufig anzutreffende Kombination, über die ich noch nachdenke. Eines ist jedoch klar: Während sich nebenan alles um Preise und Wettbewerb dreht, ist zwischen den Regalen in der Stille jeder ein Gewinner.
Im Treppenhaus riecht es nach Fritteuse, nebenan logiert eine Fast-Food-Kette. Meine Gedanken springen kurz nach Neukölln, wo man die ebenfalls in einem Einkaufszentrum gelegene Helene-Nathan-Bibliothek nur durch das Parkhaus erreicht. Abgase sind hier die Begleiter vom Aufzug ins Paradies. Doch ist man einmal drin, wird man hier wie dort verlässlich umfangen vom Duft der Bücher.
Wie anders empfängt Philipp Schaeffler in Mitte. Das weitläufige Bücherhaus schmiegt sich an die Buchhandlung Ocelot oder andersherum, wahrscheinlich ist es eine gegenseitige Berührung. Man betritt die Räume gleich aus dem Innenhof und wer die Überwältigung fürchtet, hat hier nichts verloren oder kann nur Gewinner sein, indem er ihr tief in die Augen sieht. Das Angebot reicht für zehn Leben und immer noch wäre man nicht fertig. Was für ein seltsames Wort in diesem Zusammenhang. Will man das überhaupt? Fertig sein mit dem Lesen?
Das Kichern der Bücher über diesen absurden Gedanken dringt aus all ihren Wohnstätten, überall in der Stadt. Überall klingt es anders und dem vorwitzigsten Sound werde ich beim nächsten Mal nachgehen.