Vor- und Nachteile: Wie der Brexit Berlin beeinflusst

Im schmucken Schloss von Bad Muskau in der Oberlausitz werden an diesem Donnerstag die Weichen für Berlins Zukunft als Gesundheitsmetropole gestellt. Dort treffen sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin, und eines ihrer Themen soll die Ansiedlung der European Medicines Agency (EMA) in Berlin sein. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) will die anderen Landeschefs und vor allem die Bundeskanzlerin davon überzeugen, dass Berlin der ideale Standort für die Spitzenbehörde ist.

Die EMA ist bisher in London angesiedelt, wegen des Brexits braucht sie einen neuen Standort. Käme sie nach Berlin, wäre das ein großer Coup. Denn die Agentur, die EU-weit die Zulassung von menschlichen und tierischen Arzneimitteln koordiniert, ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. „Sie hat 900 Mitarbeiter, indirekt sind mit ihr weitere 4000 Arbeitsplätze bei Dienstleistern verbunden“, sagt Stefan Franzke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsagentur Berlin Partner.

Arzneimittel-Agentur könnte nach Berlin kommen

Müller wird in Bad Muskau eine 20-seitige Hochglanz-Broschüre präsentieren, die Berlins Vorteile auflistet. „Wir haben mindestens drei bestens geeignete Standorte zur Auswahl – etwa in der Europacity in der Nähe des Hauptbahnhofs und der Charité, den Gesundheitscampus Buch mit großen biomedizinischen Instituten, aber auch Adlershof, einer der wichtigsten Wissenschaftsstandorte Berlins“, sagt Franzke. Außerdem sei man sich sicher, garantieren zu können, dass die Behörde vom Tag eins des Umzugs an arbeitsfähig sein werde. Ein wichtiges Plus sei darüber hinaus die Internationalität der Stadt.

Allerdings gibt es auch Probleme. Zum einen interessiert man sich in Deutschland, genauer gesagt in Frankfurt am Main, auch für die zweite EU-Behörde, die mit dem Brexit London verlassen muss: die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Und da Deutschland wohl kaum zweimal den Zuschlag bekommt, muss sich die Bundesregierung nun entscheiden, auf welches Pferd sie setzt. Die EBA mit ihren 150 Mitarbeitern wäre jedoch der deutlich kleinere Fang. Deshalb stehen die Chancen gut, dass sich die Regierung für die Arzneimittel entscheidet. Zum anderen hat Berlin im Werben um die Europäische Arzneimittel-Agentur auch Konkurrenz, nämlich Hamburg, München und Bonn.

CDU sollte Lobbyarbeit machen

EU-weit haben sogar 18 weitere Städte ihren Hut in den Ring geworfen, darunter Stockholm, Wien und Amsterdam. Zunächst geht es für Müller darum, auf nationaler Ebene zu überzeugen. Er setzt darauf, dass sich auch seine ostdeutschen Amtskollegen für Berlin aussprechen werden. Schließlich wird die Behörde wirtschaftliche Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus haben. „Bundespolitisch wäre es gut, mehrere Länder als Fürsprecher zu haben“, sagt Franzke.

Parteistrategisch ist Bonn der größte Konkurrent. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) legt sich für die Ex-Hauptstadt ins Zeug. Sein Hauptargument ist, dass das nationale Pendant zur EMA, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dort seinen Sitz hat. Nebenbei spielt wohl auch eine Rolle, dass Gröhes Wahlkreis, der Rhein-Kreis Neuss, um die Ecke liegt.

Weil die Berliner CDU aber für die Ansiedlung der EMA an die Spree ist, setzt der Senat nun darauf, dass Gröhe von seinen Parteikollegen umgestimmt wird. Ina Czyborra, SPD-Mitglied im Wirtschaftsausschuss fordert: „Die Berliner CDU sollte ihre Kanäle in die Bundespartei nutzen, um Lobbyarbeit für Berlin zu machen.“