Schwarz-Rot in Berlin: Welche Partei welche Senatsposten bekommen soll

SPD-Senatorin Iris Spranger könnte das Innenressort behalten, weil sie CDU-Politik macht. Die CDU will die Bildung reparieren. Der Überblick.

Die Berliner Flagge weht auf der Spitze des Roten Rathauses.
Die Berliner Flagge weht auf der Spitze des Roten Rathauses.Dirk Sattler/iamgo

Kommt es in Berlin zu einer Koalition der CDU mit der SPD, dann dürften beide Seiten jeweils fünf Senatoren bekommen. So ist es zu hören. Obwohl die CDU mehr Mandate errungen hat als die SPD. Für die CDU kämen noch der Chef der Senatskanzlei und der Regierende Bürgermeister dazu.

Folgende Ressorts dürften bereits gesetzt sein: Für Kultur und Bildung sprach sich die CDU schon öffentlich aus, sogar Namen kursieren. Wahrscheinlich kommen noch Finanzen, Gesundheit und Justiz dazu. Für die SPD blieben Stadtentwicklung und Bauen, Wirtschaft, Soziales sowie Umwelt und Mobilität. Voraussetzung ist, dass die Parteimitglieder der SPD in einem mehrwöchigen Verfahren bis zum 23. April der Koalition mit der CDU zustimmen.

Ob das Ressort Inneres – eines der Schlüsselressorts – an die CDU oder die SPD geht, ist noch unklar. Allerdings herrscht auf diesem Gebiet thematisch weitgehende Einigkeit. 

Mehr Taser für die Polizei: CDU und SPD sind sich in Berlin einig

So dürfte der ewige Probelauf der Distanz-Elektroimpuls-Geräte der Vergangenheit angehören. Die Polizeiabschnitte würden dann vermehrt mit den sogenannten Tasern ausgestattet werden. Die Änderung des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang (UZwG) wäre mit der Mehrheit von CDU und SPD im Abgeordnetenhaus möglich. Linke und Grüne waren angesichts der aus ihrer Sicht bestehenden Gefahren durch die Elektroschocker skeptisch.

Zu erwarten ist auch ein breiterer Einsatz der Bodycams und damit wohl auch eine Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog). Denn nach dem Willen von Linken und Grünen dürfen die Körperkameras nur im öffentlichen Raum eingesetzt werden, nicht aber in Wohnungen, wo bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt ein Großteil der Angriffe auf Polizisten passiert, und auch nicht in Rettungswagen bei randalierenden Personen. Die Bodycams schaffen nach Auffassung der Befürworter Rechtssicherheit für beide Seiten und wirken zudem deeskalierend, wenn sie eingeschaltet werden.

Ein Polizist mit einer Bodycam
Ein Polizist mit einer BodycamKay Nietfeld/dpa

Eine Einigung könnte es auch zum finalen Rettungsschuss geben, bei dem Berlin das einzige Bundesland ist, das noch keine rechtliche Klarheit geschaffen hat. Bei einer Geiselnahme etwa riskiert der einzelne Polizist, dass er sich strafbar macht, wenn er in einer Nothilfesituation den Täter erschießt. Anders wäre es, wenn der Einsatzleiter, der die Gesamtsituation überblickt, den finalen Rettungsschuss anordnet.

Lösungen für den Rettungsdienst in Sicht

Einig ist man sich über mehr Personal und bessere Ausstattung bei Polizei und Feuerwehr. Auch die katastrophalen Zustände im Rettungsdienst könnten nun einfacher angegangen werden. Bei den notwendigen Änderungen des Rettungsdienstgesetzes drohten keine eigenwilligen Querschüsse der Grünen, etwa den Rettungsdienst zu einer eigenen Berufslaufbahn bei der Feuerwehr zu machen – was für Entsetzen in der Belegschaft sorgte.

Nach der Silvesternacht steht die innere Sicherheit ganz oben auf der Agenda beider Parteien, und selbst das Thema Videoüberwachung ist kein K.-o.-Kriterium mehr für eine Koalition – anders als vor fünf Jahren. Damals lehnte SPD-Innensenator Andreas Geisel ein Begehren für einen Volksentscheid, der mehr Überwachung wollte, ab. Kameras wird es wahrscheinlich nicht wie damals gefordert an 50 Kriminalitätsschwerpunkten geben, aber sicher an Orten wie dem Alexanderplatz und dem Kottbusser Tor.

Apropos Kottbusser Tor: Zur Zufriedenheit der CDU und gegen Grüne und Linke hat Iris Spranger von der SPD dort eine seit Jahren diskutierte Polizeiwache installieren lassen, die im vergangenen Monat eröffnet wurde. Es scheint nicht undenkbar, dass Spranger, die ihre Themen stets energisch vertritt, das Ressort Inneres behält.

Nach 27 Jahren SPD-Misere: Berliner CDU beansprucht das Bildungsressort

Seit Wochen werden bei der CDU Namen und Ressorts offen gehandelt, manche Besetzung ist dagegen noch unklar. Auch an den Zuschnitten könnte sich noch einiges ändern.

Eines ist jedoch sicher: Geht es nach dem Wahlsieger, dem designierten Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, übernimmt Katharina Günther-Wünsch das Bildungsressort. Sie war eine der wenigen öffentlich genannten Namen in Wegners Schattenkabinett, beide haben sich im Wahlkampf gegenseitig unterstützt. 

Katharina Günther-Wünsch (CDU)
Katharina Günther-Wünsch (CDU)CDU

Bildungssenatorin Günther-Wünsch wäre eine folgerichtige Entscheidung. Das schwierige Ressort, zu dem noch die Bereiche Jugend und Familie gehören, wird seit 1996 von der SPD verwaltet. Einstige Parteigrößen wie Ingrid Stahmer und Klaus Böger haben sich daran versucht, später auch der letztlich wenig erfolgreiche Hoffnungsträger Jürgen Zöllner. Zuletzt füllten Sandra Scheeres (immerhin zehn Jahre lang) und Astrid-Sabine Busse das Amt aus. Beiden hat dies bei Beliebtheitsbewertungen der Senatsmitglieder stets hintere Plätze garantiert. Und das ist seit Jahrzehnten auch ziemlich genau die Positionierung des Landes Berlin in republikweiten Bildungsrankings.

Kultur ist offenbar für den Musikmanager Joe Chialo reserviert

Für viele steht das Ressort längst für den umfassenden Herrschaftsanspruch der SPD in Berlin, für die Erzählung, die Partei habe sich die Stadt zur Beute gemacht. Es ist nicht so, dass die SPD das nicht erkannt hätte. So bot sie bei den letzten rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen 2021 die Bildung wie sauer Bier an, Grüne und Linke lehnten dankend ab. Um sich kurze Zeit später über die SPD-Frau Busse zu mokieren. 

Musikmanager und möglicher Kultursenator: Joe Chialo (CDU).
Musikmanager und möglicher Kultursenator: Joe Chialo (CDU).Emmanuele Contini

Nun, nach 27 Jahren, könnte das Ressort an die CDU gehen. Die 40-jährige Katharina Günther-Wünsch stammt aus Dresden, seit zehn Jahren ist sie im CDU-Kreisverband Wuhletal aktiv. Sie war stellvertretende Leiterin einer Gemeinschaftsschule in der Gropiusstadt in Neukölln, ehe sie im Herbst 2021 erstmals ins Abgeordnetenhaus einzog und seitdem ihre Stelle im öffentlichen Dienst ruhen lässt. Wahrscheinlich wird die Mahlsdorferin also künftig den Spagat versuchen, die Schulklos in Ordnung zu bringen und gleichzeitig den Rückstand der Schüler zu einem international zeitgemäßen Bildungsniveau schrumpfen zu lassen. 

Die zweite feste CDU-Stelle im wahrscheinlich künftigen Senat ist, so sieht es aus, für Joe Chialo reserviert. Kai Wegner ließ ihn im Wahlkampf 2021 bei sich in Spandau um ein damals fast nicht gewinnbares Direktmandat antreten. Chialo verlor.

Senatskanzlei und Finanzverwaltung wieder von einer Partei?

Da auch Armin Laschet, dessen sogenanntem Zukunftsteam Chialo gleichzeitig angehörte, später nicht Bundeskanzler wurde, schien die Politkarriere des 53-jährigen Musikmanagers fast schon beendet, ehe sie richtig begonnen hatte. Doch Chialo bewies Durchhaltevermögen und Steherqualitäten und könnte jetzt zum ersten Mal in seinem Leben ein politisches Amt bekleiden. 

Während Katharina Günther-Wünsch und Joe Chialo als Shootingstars der Berliner Christdemokraten passgenau in ihren Fachgebieten für einen neuen Senat gesetzt wären, stehen bei den anderen Entscheidungen die Inhalte im Vordergrund. Das betrifft vor allem die so entscheidende Finanzverwaltung. Über lange Jahre war es in Berlin üblich, dass Rotes Rathaus und Finanzen aus einer Hand, sprich: einer Partei, kamen. Dass dies mit Franziska Giffey (SPD) und Daniel Wesener (Grüne) zuletzt nicht der Fall war, lag vor allem daran, dass es innerhalb der rot-grün-roten Koalition kaum stärkere und schwächere Partner gab. Alle waren annähernd gleich stark. Dies ist nun anders, die CDU liegt klar vor der SPD, hat also erstes Zugriffsrecht.

An Tagen wie diesem, an denen vor dem Start der Koalitionsverhandlungen die Gerüchte schwirren, ist zu hören, dass sich die CDU außerdem für das Gesundheitsressort interessieren könnte. Besonders attraktiv könnte dabei die Wissenschaftsverwaltung sein. Ein Bereich, den Vorgängerin Ulrike Gote (Grüne) auch coronabedingt lange nur am Rande mit betreute.

Gewichtiges Ressort für Franziska Giffey gesucht

Und dann ist da der Justizbereich. Die CDU hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie damit fremdelte, dass zuletzt ausgerechnet die Linke dieses ideologisch so sensible Verfassungsressort besetzt hatte. 

Und die SPD? Muss vor allem dafür sorgen, dass Franziska Giffey ein gewichtiges Ressort bekommt. Ob sie die vergangene Wahl nun verloren oder gewonnen hat, steht nicht wirklich fest. Sicher ist nur, dass Giffey weitermachen will und dafür etwas Namhaftes braucht. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen würde sich anbieten, schließlich hätte vor allem der Neubau bereits in den vergangenen anderthalb Jahren Chefinnensache sein sollen.

Franziska Giffey (SPD)
Franziska Giffey (SPD)Kay Nietfeld/dpa

Doch reicht das, um die designierte stellvertretende Senatschefin standesgemäß auszustatten? Möglicherweise liebäugelt sie darüber hinaus mit dem Mobilitätsressort, das bisher Bettina Jarasch (Grüne) innehat. Übrig bliebe dann der Bereich Umwelt sowie Verbraucher- und Klimaschutz, den die SPD freihändig zu vergeben hätte. Dasselbe gilt für das frühere Linke-Ressort Integration, Arbeit und Soziales.

Besondere Spannung verspricht die Besetzung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Bisher steht der Unternehmer und frühere Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz dieser vor, als einziger Parteiloser. Schwarz sagt bei jeder Gelegenheit, dass er nur wegen und mit Franziska Giffey dieses Amt ausfüllen wolle. Da Schwarz aber von allen als Fachmann geschätzt wird, könnte er vielleicht doch weitermachen. Schließlich ist Giffey ja irgendwie noch vorne dabei.