Warum die neuen Fahrstreifen für Radfahrer bleiben müssen
Nutzen Verkehrsplaner die Coronakrise aus? Das mag sein. Aber das Gesetz, das einen Umbau der Straßen in Berlin fordert, gilt seit 2018.
Berlin-Auf der Petersburger Straße, dem Kottbusser Damm oder am Halleschen Ufer gibt es sie bereits, die neuen temporären Radfahrstreifen. Die Frankfurter Allee, die Müllerstraße und andere Magistralen werden folgen. Doch während Radaktivisten die Verwaltung loben, fordern der ADAC und die Unternehmensverbände, die Markierungen und Warnbaken wieder zu entfernen. Offenbar gehe es darum, im Windschatten der Corona-Krise Fakten zu schaffen, kritisieren sie. Der Platz werde anderweitig benötigt: für den Autoverkehr, der weiter zunehmen werde.

Abgesehen von der Frage, ob es gut für die Städte ist, wenn der Kraftfahrzeugverkehr ansteigt und ob das einfach so zugelassen werden sollte: Dieser Trend ist kein Argument, die Streifen wieder zu entfernen. Der rollende Verkehr wird von ihnen mitnichten behindert. Fast immer entstehen sie dort, wo vorher geparkt oder gehalten wurde – nicht selten illegal.
Verwunderlich ist das Argument, dass die Radstreifen auch deshalb verschwinden sollen, weil sie derzeit nicht oft genug genutzt würden. Bei der Autobahn A20 im Norden Deutschlands, die auf vielen Abschnitten fast leer ist, hat man es nie gehört. Klar ist, dass der Radverkehr auf den Pop-up-Radwegen nach einer Gewöhnungsphase ansteigt. Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten: Das gilt auch hier.
Sicherlich stimmt es, dass Behördenleute die Gunst der Stunde nutzen, um derlei Projekte zügiger als bisher und zumindest provisorisch umzusetzen. Doch die Verwaltung war schon vor Corona befugt, in dieser Weise mehr Platz für Radfahrer zu schaffen. Seit 2018 ist das Mobilitätsgesetz in Kraft. Die Umverteilung des Straßenraums ist legitim, und es gibt noch viel Platz, den man neu gestalten könnte.