Was hat Strack-Zimmermanns Roller mit dem Erdbeben in der Türkei und Syrien zu tun?
Die Initiative „Kaufhaus des Helfens“ wollte durch Spenden von Berliner Promis viel Geld für die Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei sammeln. Wir waren dabei.

Um 16 Uhr am Donnerstag steht die Schlange am Werderschen Markt bereits um den Block – es könnte eine Szene von einer exklusiven Vernissage oder einer High-End-Produktvorstellung sein. Und darum geht es in gewisser Weise auch, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Als die Türen geöffnet werden und die Besucher einströmen, sind sie nicht nur aus materiellen Gründen hier, sie betreten das Kaufhaus des Helfens kurz: KaDeHe. Es ist eine einmalige Wohltätigkeitsveranstaltung, die das Ziel hat, möglichst viel Geld für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Syrien und der Türkei zu sammeln.
Das Konzept des Abends entstand erst vor vier Wochen als Idee von Torben Werner, Managing Director der Quadriga-Hochschule, in deren Räumen die Veranstaltung stattfand. Als Teil einer Gruppe von fünf Freunden machte sich das Team daran, Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur zu kontaktieren, um sie zu überzeugen, Gegenstände zu spenden, die im Rahmen der Veranstaltung verkauft oder versteigert werden sollten – und um bei der Veranstaltung vorbeizukommen und für einen guten Zweck in die Tasche zu greifen.
„Wir waren einfach erschrocken und sehr besorgt wegen diesem Desaster“, sagte die Journalistin Alev Doğan, eine der Co-Initiatorinnen der Aktion. Sie selbst hat Verwandte, die im betroffenen Erdbebengebiet leben – und sie wollte sich auch den Bemühungen der türkischen und syrischen Communitys in Berlin anschließen, Hilfe für die Opfer der Katastrophe zu leisten. „Das sind einige der wichtigsten und auch stärksten Communitys dieser Stadt“, so Doğan. „Wir sahen mit diesem Format eine tolle Möglichkeit, sehr viel Geld von vielen wohlhabenden Freunden für diese wichtige Sache zu sammeln.“
54.000 Tote und 111.000 Verletzte seit dem Erdbeben am 6. Februar
Die Einnahmen des Abends gehen an eine Gruppe von Hilfsorganisationen, darunter Ärzte ohne Grenze und die Weißen Helme. Infolge des katastrophalen Erdbebens im Südosten der Türkei und im Norden Syriens am 6. Februar sind bisher mehr als 54.000 Menschen gestorben und 111.000 verletzt worden. Innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden der Katastrophe sammelten Berliner Tausende von Tonnen an Hilfsgütern, die direkt ins betroffene Gebiet geschickt wurden; viele lokale Berliner Initiativen nehmen noch immer Geld- und Sachspenden entgegen. Doch es wurde auch merklich still um die Helfer, die anfängliche Spendeneuphorie versiegte, andere Nachrichten drängten in den Vordergrund.

Das Ziel ist deshalb an diesem Abend, das Thema wieder in der Vordergrund zu rücken und so viel Geld wie möglich zu sammeln. Beide Ziele sind für Alev Doğan in greifbarer Nähe. Zu den coolen Beats eines DJs stöbern Hunderte von Besuchern in den vielen angebotenen Artikeln: ob Hochglanz-Fotobücher von Gucci und Manolo Blahnik oder ein von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) gespendeter Schal: In jeder Ecke stehen Freiwillige mit Kartenlesegeräten bereit, um Spenden zu sammeln – sie scheinen ständig beschäftigt zu sein. Und es wird bei Weißwein oder Champagner aufgeregt über die noch bevorstehende Auktion geflüstert, vor allem über einen Artikel: eine Skizze des Künstlers Daniel Richter. Das Mindestgebot liegt bei 3000 Euro.
Aber nicht jeder muss so viel Geld ausgeben, gespendete Gegenstände wie Kinderkleidung, Kosmetika und sogar eine Topfpflanze werden für nur zwei Euro angeboten. Schon mit einer so kleinen Summe könne man viel Gutes tun, sagt Alev Doğan. Zu den weiteren Waren, die neben der Richter-Skizze auch als Teil der Auktion versteigert wurden, gehörten ein signiertes Buch und persönliches Treffen mit dem türkischen Journalisten Can Dündar, Konzert-Tickets und ein Backstage-Treffen mit dem Pianisten Igor Levit – und der Tretroller, mit dem die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann durch den Flure des Bundestages fährt.
Tretroller von Strack-Zimmermann: „Passt in den Porsche wie in den Lastwagen“
Strack-Zimmermann besuchte die Aktion, um den Roller selbst zu versteigern. „Solche Naturkatastrophen zeigen uns immer wieder in trauriger Weise, welche Tragödien neben den ganzen Kriegen auf dieser Erde die Menschen noch verdrängen“, sagte sie der Berliner Zeitung. Die Bilder aus der Türkei und Syrien hätten sie „fassungslos“ zurückgelassen; es habe nicht lang gedauert, um die Entscheidung zu treffen, sich von dem Roller zu trennen – auch wenn sie ihn sehr vermissen wird. „Das ist nix E-Kraft, nix Benzin, nur Bein-Power – und man kann ihn auch zusammenklappen“, sagt Strack-Zimmermann. „Das passt also in den Porsche genauso gut wie in den Lastwagen.“
Als es zur Versteigerung kommt, zahlt Strack-Zimmermann selbst 300 Euro für ein Abendessen und eine Bootsfahrt mit dem Auktionator, dem Journalisten Hajo Schumacher. Ein signierter Klavierhocker von Herbert Grönemeyer wird für 1050 Euro gekauft, der Roller wird für 850 Euro versteigert. Und nach einem spannungsgeladenen Tauschgeschäft, bei dem der Raum zum gefühlt ersten Mal an diesem Abend verstummt, wird auch die Daniel Richter-Skizze verkauft – für 8500 Euro. Am Freitagmorgen teilt der weitere Co-Organisator, der Autor Imran Ayata, die Endbilanz des Abends auf Twitter mit: 51.000 Euro.