Weddinger Grundschüler schreiben Kinderbuch, das ohne Vorurteile auskommt: „3-2-1 los! Zusammen sind wir stark“

Berlin - Grundschul- und Kita-Kinder aus Wedding haben ein sogenanntes vorurteilsbewusstes Kinderbüchlein verfasst. Oh Gott, was soll denn das, werden nun einige denken. Es soll jedenfalls ohne die üblichen Klischees auskommen, hieß es am Mittwoch in der Neuköllner Helene-Nathan-Stadtbibliothek, als einige Kinder das Werk „3-2-1 los! Zusammen sind wir stark“ vorstellten.

„Auf dem Schulhof begegnen wir vielen verschiedenen Menschen“, erzählt die Drittklässlerin Lotti. „Es gibt verschiedene Haut-, Haar- und Augenfarben, verschiedene Lebensweisen“, sagte Viertklässlerin Michelle, die selbst dunkelhäutig ist. Deshalb wird sie immer wieder nach ihrer Herkunft gefragt, was sie nervt. „Ich finde es gut, wenn die Figuren in einem Buch unterschiedlich aussehen“, sagt Lotti. Ein Gräuel seien ihr die Topmodel-Hefte, wo alle Mädchen einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen müssen.

„Conni“-Zeichnerin Dorothea Tust illustriert das Buch der Grundschüler

„In den meisten Kinderbüchern sind die Heldinnen und Helden weiß und heißen Marie oder Paul“, ergänzt Cynthia Amosse vom Deutschen Kinderschutzbund, die das Projekt gestartet hat. Die Sozialarbeiterin hatte festgestellt, dass sich viele Berliner Grundschüler in den gängigen Kinderbüchern nicht mehr wiedererkannten.

In dem Buch der Weddinger Kinder, das die bekannte Illustratorin Dorothea Tust („Conni“) gezeichnet hat, sehen die Figuren tatsächlich sehr unterschiedlich aus: Um eine eigenartige Müllsortiermaschine in einem Museum in Gang zu bringen, müssen Maxi, Zeki, Nala, Samira und Benjamin zu drei verschiedenen Planeten fliegen, um sich dort die passenden Stoffe zu besorgen. Schon der Museumspädagoge ist dunkelhäutig und hat seine Haare blond gefärbt.

„Alles super-selten in Kinderbüchern“, sagt die Mitarbeiterin vom Kinderschutzbund. Auch die Gruppe ist vielfältig, an vieles ist gedacht: Ausgerechnet die blonde Brillenträgerin Samira erweist sich auf dem Wasserplaneten als tollkühne Taucherin.

Bei Hauptfigur Maxi lassen sich keine Rückschlüsse auf das Geschlecht machen

Eine Figur namens Maxi mit einer Art Bubikopf und Basecap ist nicht klar als Junge oder Mädchen zu erkennen. „Das Geschlecht ist nicht eindeutig“, sagt Kinderschutzbund-Sprecher Stephan Knorre. Ein ,er‘ oder ein ,sie‘ werde der Person bewusst nicht zugeschrieben, auch das Outfit lasse keine Rückschlüsse auf das Geschlecht zu. Die gewählten Namen der fünfköpfigen Kindergruppe sind ebenfalls unterschiedlicher Herkunft, Benjamin ist zudem dunkelhäutig, Nala rothaarig mit Sommersprossen.

Die kurze Abenteuergeschichte ist so angelegt, dass jeder etwas zum Gelingen beiträgt und niemand sich beweisen muss, um dazuzugehören. Verzichtet haben die Autoren darauf, ein Kind mit Behinderung in die Handlung zu integrieren. Das hätte dann doch zu konstruiert ausgesehen, hieß es.

Die anwesenden Schüler der Neuköllner Karl-Weise-Grundschule sind jedenfalls ganz angetan. „Die unterschiedliche Herkunft der Schüler spielt bei uns auf dem Hof eigentlich keine Rolle mehr“, sagt ein Lehrer. Doch eine Kollegin widerspricht ihm. Um die verschiedenen kulturellen Hintergründe müsse man wissen. Und Lotti aus Wedding empört sich noch, dass manche Mitschüler sie „Kartoffel“ nennen, weil ihre Eltern beide Deutsche sind.