Wegen Seehofer: „Moabit hilft“ lehnt Nominierung für Deutschen Nachbarschaftspreis ab
Die Berliner Flüchtlingshilfsorganisation „Moabit hilft e.V.“ lehnt die Nominierung für den Deutschen Nachbarschaftspreis ab. Sie begründet dies mit der Tatsache, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als Schirmherr fungiere. In einer Erklärung der Organisation, die der „Berliner Zeitung“ vorliegt, heißt es: „Wir hatten uns sehr über die Nominierung zum Deutschen Nachbarschaftspreis 2018 gefreut. Denn es gibt uns das Gefühl, mit unserer Arbeit das Richtige zu tun, nicht alleine zu sein.“ Allerdings habe man einen wichtigen Punkt übersehen und sei daher „mit dem jetzigen Wissen gezwungen, die Nominierung abzulehnen“.
Seehofer sei nämlich Schirmherr des Preises. Und dieser habe unter anderem bei einer Aschermittwochsrede gesagt: „Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren – bis zur letzten Patrone." Er habe ferner 1987 erklärt: „HIV-Infizierte müssen in speziellen Heimen konzentriert werden." Auch gefalle es ihm, „von deutscher Leitkultur zu faseln“, und sich zynisch darüber zu amüsieren, „dass an seinem 69 Geburtstag 69 Afghanen abgeschoben wurden“. Die Erklärung schließt mit den Worten: „Nein, wir wissen nicht, ob wir gewonnen hätten. Aber wir können es nicht mit uns oder unseren Ansichten vereinbaren, unter einem Schirm zu stehen, dessen Schirmherr der Innen- bzw. Heimatminister Seehofer ist. Nein zu Seehofer!“
Dialog bringt mehr als Rückzug
Der Geschäftsführer der den Preis verleihenden Nebenan-Stiftung, Michael Vollmann, sagte der Berliner Zeitung: „Für uns ist das keine einfache Situation. Wir verstehen und respektieren den Rücktritt.“ Auch seien von Seehofer zuletzt „verbal Grenzen überschritten“ worden. Freilich stehe der Schirmherr seit Beginn der Ausschreibung fest. „Und Dialog bringt mehr als der Rückzug in Lager.“ Dass Seehofer Innenminister sei, liege ohnehin nicht in der Hand der Stiftung. Man hoffe, dass er wie geplant an der Preisverleihung am 5. September teilnehme. Vorgesehen ist, dass dabei Preisträger aus dem vorigen Jahr kritische Fragen an den Minister richten.
„Wir wollen weiter mit dem Bundesinnenministerium zusammen arbeiten“, betonte der Geschäftsführer. Alle für die Arbeit der Stiftung zentralen Fragen seien dort gebündelt. Ein Viertel der Nominierten arbeitet Vollmann zufolge mit Flüchtlingen zusammen. Nach Informationen der „Berliner Zeitung“ haben von ihnen auch andere Probleme mit Seehofers Schirmherrschaft. So lehnt der Kölner Verein „Wie leben wir e.V.“ die Nominierung für das Sharing-Projekt „KASIMIR – Dein Lastenrad“ ebenfalls ab.
Für den Deutschen Nachbarschaftspreis sind allein aus Berlin acht Organisationen nominiert, darunter „Moabit hilft e.V.“. Dazu kommen Nominierte aus den 15 anderen Bundesländern. Die Landesjurys küren 16 Landessieger, die am 28. August bekannt gegeben werden; aus diesen wählt die Bundesjury wiederum drei Bundessieger aus. Alle Nominierten gehen zudem ins Rennen um den Publikumspreis, der 2018 zum ersten Mal vergeben wird und mit 5000 Euro dotiert ist. Die Online-Abstimmung darüber läuft bis zum 22. August. Insgesamt liegt das Preisgeld bei über 50.000 Euro. Der Preis zeichnet Initiativen aus, die sich in ihrer Nachbarschaft für ein offenes, solidarisches und demokratisches Miteinander engagieren. Er wurde 2017 ins Leben gerufen.