Weniger Busverkehr am Zentralen Busbahnhof (ZOB) in Berlin-Charlottenburg
Berlin - In diesem Jahr ist die Zahl der Fahrten am Zentralen Omnibusbahnhof Berlin (ZOB) nicht mehr so stark gestiegen wie früher. Das teilten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am Dienstag mit. „Wir gehen von insgesamt rund 225.000 An- und Abfahrten aus“, sagte Petra Reetz, die Sprecherin des Landesunternehmens. Das wäre ein Anstieg um rund acht Prozent. Zum Vergleich: 2014 hatte die Zahl der Fahrten um 75 Prozent zugenommen, im vergangenen Jahr immerhin noch um 19 Prozent.
Er ist sicher nicht der schönste Busbahnhof in Europa. Doch der ZOB am Kaiserdamm in Charlottenburg hat seine Qualitäten. Wo sonst gibt es einen Ansager, der per Lautsprecheranlage über jede Abfahrt und jede Ankunft informiert? Für die Fahrgäste gibt es auch eine beheizte Wartehalle, Toiletten mit Personal (50 Cent) und Gepäckschließfächer (drei Euro). Rund um die Uhr sind Mitarbeiter da, das ist gut für das Sicherheitsgefühl. Das Angebot ist bombastisch: Mehr als 50 Busbetreiber steuern vom ZOB insgesamt rund 500 Fahrtziele an. Berlin ist auch die Hauptstadt der Fernbusse.
Morgens ist es teurer
Kein Wunder, dass die Anlage aus den 1960er-Jahren für immer mehr Berlin-Neulinge und Touristen das Einfallstor in diese Stadt ist. Reetz: „Im Schnitt gibt es 17.000 Fahrgäste pro Tag“ – in diesem Jahr wird sich die Zahl auf 6,2 Millionen summieren. Kurz vor Weihnachten wird es für die Mitarbeiter des BVG-Unternehmens IOB, die den Betrieb organisieren, und die Fahrer noch stressiger: „Über die Feiertage gehen besonders viele Menschen auf die Reise. Dann steigen die täglichen Fahrgastzahlen auf über 25.000“, so die BVG. Besonders viel ist am 23. Dezember und am 2. Januar los.
Seitdem der Bund die Fernbusbranche liberalisiert hat, ist es am Busbahnhof unweit vom Funkturm immer voller geworden. Dass die Wachstumsraten jetzt nicht mehr so hoch sind wie früher, hat für die Betreiber mehrere Gründe. Das ist zum einen die Kapazität, die zu manchen Zeiten aufgeschöpft sei, sagte Reetz: „Da sind wir Oberkante Unterlippe“ – für noch mehr Busse ist dann am ZOB kein Platz mehr.
Die BVG hat bereits reagiert, in dem sie von den Busbetreibern für eine Abfahrt, Ankunft oder einen längeren Zwischenstopp morgens und abends 2,50 Euro Zuschlag kassiert – zusätzlich zu den 13 Euro inklusive Mehrwertsteuer, die den ganzen Tag über fällig werden. Noch wichtiger: Nach längerem Hin und Her mit dem Senat fiel im Juli der Startschuss für einen 14,3 Millionen Euro teuren Ausbau, der bis 2019 dauert. Die Zahl der Haltestellen, die gleichzeitig angefahren werden können, steigt von 27 auf 33. Auch werden die Gebäude modernisiert.
Für das geringere Wachstum gibt es eine zweite Erklärung. „Das könnte auch mit den Marktbedingungen zu tun haben“, sagte die BVG-Sprecherin. Man könnte auch sagen: mit Marktbereinigung. Zwei große Busfirmen gaben auf. Postbus machte im Sommer den Anfang, im Oktober sagte das Team von Berlin Linienbus „danke und tschüss“. Flixbus ist nun unangefochtener Marktführer. Er nutzte die Chance, auf Strecken, auf denen es Konkurrenz durch Parallelverkehr gegeben hatte, das Angebot auszudünnen.
Mehr Ziele in Brandenburg
Rüdiger Knobel, Autor des Simplex-Fernbus-Reports, hat das für die stark genutzte Route Berlin–München einmal nachgerechnet. Im Oktober hatte es dort 151 Fernbusfahrten pro Woche und Richtung gegeben, im November waren es lediglich noch 51, berichtete er. „Ein Rückgang um zwei Drittel. Da stellt sich die Frage, wie hoch die Überkapazitäten im Fernbuslinienverkehr auf einigen Verbindungen waren.“
Von einem Ende des Booms wollte Christoph Gipp vom Berliner Institut IGES, der sich seit Jahren mit der Branche beschäftigt, jedoch nicht sprechen. In neuen Wirtschaftszweigen sei zu Beginn ein rasches Wachstum üblich – das sich dann aber abschwächt. „Ich würde sagen: Der Fernbusmarkt hat sich gefestigt“, sagte Gipp. Die Auslastung der Busse steigt, auf einigen Strecken wurde das Angebot gestrafft. Trotzdem gebe es weiterhin Zuwachs, etwa zwischen Berlin und Hamburg. Flixbus will mehr Fahrten in kleine Städte anbieten, ab Frühjahr 2017 auch ins Land Brandenburg.
Gipp: „Wir stellen fest, dass sich die Branche in einem starken Wettbewerb gut behauptet.“ Die Bahn bietet mehr Billigtickets als früher an – obwohl sie dank Trassen- und Stationsentgelten höhere Kosten hat. Auch Billigflieger wie Ryanair stehen mit Bussen in Konkurrenz. „Das Wachstum geht weiter“, schätzte Gipp ein. „Auch in Berlin.“