Wenn aus dem Bundestag die Angstbude wird: Kreatives Schreiben in Köpenick

Schreiben macht glücklich – davon erzählen die Teilnehmer einer Schreib-Werkstatt in Berlin-Köpenick. Inspiration ist ihnen auch die Berliner Zeitung.

Kreatives Schreiben in Berlin-Köpenick: Martin Liebe, Annelie Streit, Janina Kurzweg (v. l.).
Kreatives Schreiben in Berlin-Köpenick: Martin Liebe, Annelie Streit, Janina Kurzweg (v. l.).Gerd Engelsmann

Was hat die tägliche Zeitung zu bieten? Natürlich, ja, die aktuellen Informationen über das Zeitgeschehen. Aber Anregung zum selbst schreiben kann eine Zeitung ebenfalls sein, wie eine Gruppe von Kreativen in Köpenick zeigt. Chefin Annelie Streit inspiriert dort auch mithilfe der Berliner Zeitung.

Sehr gefreut habe ich mich über ihren Brief, in dem sie sich und die sieben anderen Schreibfreudigen zwischen 16 und 77 Jahren vorstellte. Natürlich wollte ich sie alle kennenlernen und reiste mit der S-Bahn nach Köpenick zum Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin. Der stellt den Schreibenden einmal in der Woche abends einen großen weiß gestrichenen Raum zur Verfügung. Da lässt es sich trefflich dichten.

Angeregt durch eine Kolumne von mir über herrenlose Schuhe verfertigten die Kursteilnehmer herrliche eigene Geschichten: Edda schickt einen Geist in den Schuhladen, bei Veronika gehen der Gattin die Traumschuhe des Ehemannes auf den Senkel. Oder Annelie Streit gibt Anagramme zur Aufgabe. Flugs schütteln sie alle die Buchstaben neu und aus „Bundestag“ macht Janina Kurzweg „Angstbude“ - wie das passt! Weil Frau Streit streng darüber wacht, dass niemand sich langweilt und alle stets gefördert und gefordert werden, erteilt sie gleich die nächste anspruchsvolle Aufgabe.

Zig kleine Zettel mit je einem Wort legt sie auf den Tisch, „Mietshaus“, „Testfragen“, „Sport“. „Macht was draus!“ Eifrig beginnen die Kreativen suchend in die Luft zu blicken, hurtig einiges zu notieren und weil die Stunde um ist, nehmen sie’s als Hausaufgabe fröhlich mit nach Hause.

Viel gelacht wird in der Stunde Schreib-Werkstatt. Schließlich sind sie alle gerne hier, miteinander konsequent offen und sich recht nahegekommen in ihrem schon seit Jahren gemeinsamen Tun. Janina Kurzweg, die beruflich in Gärten unterwegs ist, bewundert professionell Schreibende und genießt ihre Freizeit in der literarischen Welt: „Die eigenen Möglichkeiten und sich selbst zu entdecken, ist aufregend und befriedigend.“ Martin Liebe, vormals in einer Spedition tätig, kam mit dem Vorsatz, seinen Wortschatz zu erweitern. „Schließlich benutzt man im Alltag immer die gleichen Worte.“ Hat geklappt.

Dafür und dass ihre Schützlinge geistig flott auf Trab kommen, sorgt Annelie Streit seit vielen Jahrzehnten in solchen Kursen. „Schreiben ist eine Disziplin – wie Sport“, weiß sie. Wer an sich und seinem Können und Wünschen arbeitet, entdeckt sich selbst, lautet ihr Versprechen.