Wenn es um den Verkehr geht, sollte die SPD lieber schweigen

So lange Berlin nicht einmal kleinste Infrastrukturprojekte stemmen kann, gerät jede große U-Bahn-Vision zum Wolkenkuckucksheim

Berlin-Zwar wird in Berlin erst 2021 wieder gewählt. Doch für die unter Abstiegsängsten leidende SPD hat der Wahlkampf bereits begonnen. Wie anders ließe sich erklären, dass sie bei jeder Gelegenheit gegen die Grünen holzt – obwohl diese Partei noch ihr Partner im Senat ist. Dabei ist fraglich, ob das aggressive Schaulaufen den Sozialdemokraten auch nur eine zusätzliche Wählerstimme verschaffen wird.

Ein U-Bahn-Zug der Linie U8 fährt in den Bahnhof Kottbusser Tor ein. Wenn es nach der Berliner SPD geht, sollten weitere U-Bahn-Strecken geplant werden. 
Ein U-Bahn-Zug der Linie U8 fährt in den Bahnhof Kottbusser Tor ein. Wenn es nach der Berliner SPD geht, sollten weitere U-Bahn-Strecken geplant werden. dpa/ Christoph Soeder

In diesem Fall hat die Berliner SPD auch noch das falsche Thema gewählt: den Verkehr. Über Jahre hinweg waren die Verkehrssenatoren Sozialdemokraten, auch der heutige Regierende Bürgermeister bekleidete dieses Amt. Jahrelang konnten sie zeigen, was sie wollen und können. Doch angesichts der Bilanz sollte die SPD lieber schweigen anstatt die seit 2016 amtierenden  Grünen anzuzählen.

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Natürlich gab es richtige Weichenstellungen, etwa im Rad- und Nahverkehr. Das meiste konnte aber nicht mit Leben erfüllt werden, weil der Personalabbau in der Verwaltung weiterging. Die U-5-Verlängerung, die 2020 in Betrieb geht, wurde vom SPD-Senator Strieder bekämpft, neue U-Bahn-Projekte schob auch Senator Müller nicht an. Bei den Fahrpreisen fiel den Sozialdemokraten ebenfalls nur wenig ein.

Sicher, auch Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) verdient Kritik. In ihrer Amtszeit wird, wenn überhaupt, nur eine einzige Straßenbahn-Neubaustrecke fertig. Aber das liegt auch an einem wuchernden Regeldickicht. Die seit Langem versprochene Erweiterung des Busspurennetzes lässt ebenfalls auf sich warten.

Stattdessen macht Günther seit einigen Monaten vor allem mit radikal anmutenden Anti-Auto-Visionen von sich reden. Sie sind nach der brutalen Logik der Klimakrise wohl tatsächlich zwangsläufig. Doch so lange der bundesgesetzliche Rechtsrahmen einer Umsetzung entgegen steht und auch deutlich weniger ambitionierte Projekte wie neue Radfahrstreifen in Berlin weiterhin nur schleppend vorankommen, wird man Günthers Vorstellungen von einer Innenstadt ohne Verbrennungsmotoren eher als Bewerbung auf den nächsten Posten lesen müssen - und als Signal an die Grünen-Basis, die Günther Ende 2018 am liebsten abgesetzt hätte.

Natürlich wäre es nicht falsch, für die fernere Zukunft neue U-Bahn-Linien zu planen. Auch Grünen-Politiker wie der frühere Staatssekretär Jens-Holger Kirchner haben sich dafür aufgeschlossen gezeigt. Wie viel wäre für die Pankower gewonnen, wenn die schnelle U9 in ihren Bezirk führen würde?

Doch klar ist auch: Bevor es Berlin nicht schafft, auch nur kleinste Infrastrukturprojekte wie die geplante 1240 Meter lange Straßenbahnstrecke zum Ostkreuz in absehbarer Zeit zu realisieren, ist alle Kraft erst einmal dort zu konzentrieren. Alles andere wäre ein Wolkenkuckucksheim, mit dem die Bürger veralbert würden.