Wie ich dabei scheiterte, vom Berliner Bürgeramt einen Führerschein zu bekommen
Unserem Autor wurde sein Portemonnaie samt Führerschein in der Oranienstraße geklaut. Schlimme Erfahrung. Fast so schlimm wie eine Terminsuche fürs Bürgeramt.

Neulich rief mich meine Mutter an und fragte mich, ob ich denn schon meinen verlorenen gegangenen Führerschein neu beantragt hätte. Im Herbst 2021 wurde er mir gestohlen, samt meines Portemonnaies, in der Oranienstraße. (Das Portemonnaie wurde mir von einem Trickbetrüger aus der Manteltasche gezogen.) Obwohl ich auf der Polizeiwache am Checkpoint Charlie der diensthabenden Polizistin alle Informationen zur schnellen Fahndung übermittelt habe, hat sich die Suche nach dem Dieb als erfolglos herausgestellt. Ende vergangenen Jahres bekam ich einen Brief von der Berliner Polizei, der mir mitteilte, dass die Ermittlungen eingestellt wurden. Weder Dieb noch mein Portemonnaie konnten die Berliner Polizeibehörden tatsächlich ausfindig machen. Auch mein Führerschein war weg.
Monatelange drückte ich mich davor, das zu tun, was ich hätte sofort tun müssen, was sich aber so anfühlt wie das Buchen eines Zahnarzttermins, den man gerne aufschiebt: beim Berliner Bürgeramt einen neuen Führerschein zu beantragen. Die Überlastungen sind legendär. Wie wahrscheinlich jeder in dieser Stadt vertage ich gerne solche Erledigungen, weil ich schon im Vornherein weiß, wie ein Berliner Behördengang von der Terminbesorgung bis zum Aushändigen eines Dokuments sich anfühlt.
Erst bekommt man keinen Online-Termin, dann keinen Telefontermin, am Ende keinen Besuchstermin, also am Ende auch kein Dokument. Und ganz am Ende verschiebt man die Erledigung auf ein nächstes Mal, bis man auf das Dokument wirklich nicht mehr verzichten kann und bereit ist, Stunden fürs Campieren vor dem Bürgeramt zu investieren oder für hartnäckiges Neuladen der Website, um einen Onlineterminen für eine Sprechstunde zu ergattern. Sie können sich also denken, was ich am Ende meiner Mutter sagte, als sie fragte, ob ich schon einen neuen Führerschein habe: „Nein, habe ich nicht.“
„Ich kann Ihnen derzeit nicht behilflich sein“
Ich versprach ihr trotzdem, mich darum zu kümmern. Sofort. Nicht morgen oder übermorgen, sondern jetzt. Ich riss mich also zusammen und entschied mich dazu, diese Sache mit dem neuen Führerschein wirklich zu erledigen. Anschließend schaute ich mir die Website des Berliner Bürgeramts an, durchforstete die langen Listen und Einträge mit Dienstleistungen und wurde nicht fündig. Also beschloss ich, kurzen Prozess zu machen und eine E-Mail an mein Bürgeramt zu schreiben. Als ich mich wegen eines Termins oder wenigstens einer Hilfestellung erkundigte, bekam ich zumindest sehr schnell eine E-Mail zurück. Auf die Frage, wie ich meinen in Bremerhaven ausgestellten und jetzt geklauten Führerschein wieder ersetzen könne, erhielt ich folgende freundliche und doch etwas kryptische Antwort.
Hier ist die E-Mail, ich zitiere: „Vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich verstehe Ihr Dilemma, allerdings kann ich Ihnen derzeit weder bezüglich Ihres Anliegens behilflich sein, noch einen Termin anbieten. Haben Sie den Verlust bereits angezeigt? Benötigen Sie dringend eine Fahrerlaubnis für Ihre berufliche Tätigkeit? In der Anlage finden Sie einen Verlustantrag. Informationen zu allen Dienstleistungen der Berliner Verwaltung finden Sie auf der offiziellen Website www.berlin.de (Service-Portal). Grundsätzlich ist die Terminbuchung (pro Person 1 Termin/auch bei Partnern – bis zu 3 Dienstleistungen möglich) berlinweit nur direkt im Internet unter www.berlin.de – nutzen Sie ggf. den Link auf der Seite „Termin berlinweit suchen und buchen“ – oder über die Service-Nummer 115 (aus dem Inland) möglich, jedoch nicht per Mail. Auch mir ist die Terminsituation der Berliner Bürgerämter bekannt, Alternativvorschläge kann ich Ihnen leider dennoch nicht anbieten. Die Terminvergabe obliegt den Leitenden der jeweiligen Bürgerämter, die Freigabe erfolgt in der Regel kurz vor Dienstbeginn, gegen 8.00 Uhr.“
Wahrscheinlich muss ich mich in meiner Heimatstadt wieder neu anmelden
Besonders schön fand ich die Sätze „Ich verstehe Ihr Dilemma, allerdings kann ich Ihnen derzeit weder bezüglich Ihres Anliegens behilflich sein, noch einen Termin anbieten“. Gut fand ich auch: „Auch mir ist die Terminsituation der Berliner Bürgerämter bekannt, Alternativvorschläge kann ich Ihnen leider dennoch nicht anbieten.“ Um ehrlich zu sein: Ich habe die E-Mail des Bürgeramts bis heute nicht richtig verstanden. Was wollte man mir sagen? Ich denke, die Mitarbeiterin wollte mir in verschlüsselter Beamtensprache mitteilen, dass sie überfordert sei, nichts tun könne und ich mir jetzt selber helfen müsse.
Tatsächlich passierte das, was ich bereits geahnt hatte: Ich ging auf die Website von www.berlin.de und klickte mich durch alle Bürgerämter, um einen Termin für eine Neuausstellung des Führerschein zu bekommen, aber es war ausweglos. Kein einziger freier Termin war in der ganzen Stadt verfügbar. Was ich jetzt tun soll, weiß ich auch nicht. Mein nächster Urlaub steht an, und ich habe keinen Führerschein. Vermutlich melde ich mich kurzzeitig in meiner alten Heimatstadt an und erledige die Führerscheinsache dort. Der Papieraufwand wird wahrscheinlich geringer sein, als in Berlin erfolgreich ein Dokument zu beantragen.
Nachtrag: Unser Autor hat von einem Kollegen einen Tipp bekommen. Man müsse die berlinweite Terminsuche ansteuern und regelmäßig die freien Termine aktualisieren. Dann scheint es auch mit der Terminsuche zu klappen. Der erste Versucht zeigt: Es funktioniert! Allerdings sind frei werdende Termine schnell wieder weg.
Haben Sie Feedback für den Autor? Haben Sie Erfahrungen mit dem Berliner Bürgerämtern gemacht? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de