Berlin-„Du hast bald Geburtstag“, sagte meine kleine Tochter vor ein paar Tagen zu mir. „Bald hast du Geburtstag“, meinte ein Freund wenig später über den Mindestabstand hinweg, den wir bei einem Spaziergang durch den Tiergarten einhielten. Der Satz blieb beide Male in der Luft hängen. Bedeutungsschwer irgendwie, auch unvollendet. Denn was hätte ich darauf antworten sollen. „Ja, und ich mache eine Party.“ Oder: „Ja, du bist natürlich eingeladen, und bitte mach’ unbedingt wieder die mit Rhabarbercrème gefüllten Kekse wie im vergangenen Jahr.“

Ein Freundin schrieb, sie werde an dem Tag bei ihrer Mutter in Nürnberg sein, aber ich würde ja sicherlich coronabedingt ohnehin nicht feiern. Mein Mann hat noch kein Wort über dieses anstehende Datum verloren, aber auf dem Küchenschrank steht seit ein paar Tagen ein Töpfchen mit Waldmeister. Früher war das ein Versprechen auf eine rauschende Party. Die selbst gemachte Waldmeisterbowle an diesem Tag hat bei uns Tradition. Bloß, wer soll sie in diesem Jahr trinken?
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In den vergangenen Jahren beschäftigte mich vor meinem Geburtstag eigentlich nur der Gedanke, ob es regnen könnte, und wie warm es würde. Mehrmals täglich konsultierte ich den Wetterbericht, denn ich wollte auf dem bescheidenen Gartenstreifen in unserem Neuköllner Hinterhof grillen. Einmal brach zehn Minuten vor Festbeginn ein Gewitter los, gegrillt wurde untern Regenschirm. Die angekokelten, nassgeregneten Würstchen verzehrten wir dann oben in der viel zu vollen Wohnung. Ein Desaster, dachte ich damals.
In diesem Jahr wäre mir das Wetter egal, genauso wie der Partyort. Hinterhof, Wohnung – dass ich mir über so was überhaupt Gedanken gemacht habe. Oder dass mir in manchen Jahren alles zu viel war, und ich nur in kleinstem Kreis feiern wollte. In diesem Jahr würde ich nichts lieber tun, als sämtliche Freunde einladen - besser ein paar mehr sonst. Ich bin ausgehungert nach Gesellschaft, nach Fröhlichkeit, dem Soundtrack aus Lachen, Gespräch und Gläsergeklirr, den so ein Zusammentreffen erzeugt. Dass seit Wochen der Happy-Birthday-Song aus dem Badezimmer schallt, erscheint mir wie ein Hohn.
In der New York Times las ich kürzlich einen Ratgeberartikel zum Thema Corona-Geburtstag. Die Autorin schlug vor, man solle seine Freunde zu einem Zoom-Dinner einladen. Oder wenigstens zum gemeinsamen Anstoßen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorm Bildschirm, auch wenn die Gäste die Getränke selber besorgen müssten.
Die Vorstellung, ich würde meinen Geburtstag in derselben Form feiern wie eine morgendliche Redaktionskonferenz, fand ich auf Anhieb nicht besonders attraktiv. Aber die Aussicht, an diesem besonderen Tag in derselben Konstellation am Tisch zu sitzen wie in den vergangenen beiden Monaten, ist es auch nicht. Also vielleicht doch eine virtuelle Party? Ich überlege noch.