Berlin-Wahl: Was der Erfolg der CDU für die Berliner Bezirke bedeutet
Die Wahlwiederholung hat in Berlins Bezirken Mehrheiten verändert. Doch noch ist unklar, ob die Posten in Bezirksämtern neu besetzt werden.

Während alle gespannt auf die Sondierungsgespräche blicken, bleibt ein anderes politisches Problem nach der Wiederholungswahl in Berlin ebenso drängend – aber noch komplett ohne Lösung: Wie werden die neuen politischen Mehrheiten in den Bezirksämtern umgesetzt? Die CDU hat nämlich nicht nur auf Landesebene gewonnen, sondern auch in den Bezirken kräftig zugelegt. Für die SPD hat sich das Desaster auf Landesebene in den Bezirken wiederholt: Sie ist nach der Wiederholungswahl vom 12. Februar in keinem Bezirksparlament mehr die stärkste Kraft.
Rechtlich ist das aber nach derzeitigem Stand völlig belanglos. Die Stadträtinnen und -räte und auch die Bürgermeister in den zwölf Bezirken sind seit ihrer Wahl durch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Beamtinnen und Beamte auf Zeit – und das für die gesamte Legislaturperiode. Die Wiederholungswahl hat daran nichts geändert, denn sie war rechtlich keine Neuwahl: Das Beamtenrecht überwiegt hier also gegenüber dem Demokratieprinzip.
Nach derzeitiger Rechtslage können Mitglieder der Bezirksämter nur von einer Zweidrittelmehrheit der BVV-Mitglieder abgewählt werden. Treten sie von allein zurück, verlieren sie ihre Pensionsansprüche – und das nicht nur für die Zeit dieser Legislaturperiode, sondern auch für ihre gesamte bisherige Amtszeit. Auch wenn es keiner so recht zugeben mag: Das ist mit Sicherheit ein Grund, warum sich bisher kein Bürgermeister und keine Bürgermeisterin bereitgefunden hat, freiwillig auf das Amt zu verzichten, ebenso wenig wie ihre Stadtratskollegen. Das hatte sich bereits vor der Wahl abgezeichnet.
Theoretisch ist es also durchaus möglich, dass nicht nur die rot-grün-rote Koalition auf Landesebene weitermacht – auch in den Bezirken könnte trotz massiven Mehrheitsänderungen alles beim Alten bleiben. Zumindest auf Landesebene hat man erkannt, dass das politisch nur schwer zu vermitteln sein dürfte. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat nach den Sondierungsgesprächen von Rot-Grün-Rot am Donnerstag versichert, dass man an einer Lösung für alle zwölf Bezirke arbeite. Dafür wolle man schleunigst einen Prozess in Gang setzen, der eine entsprechende rechtliche und rechtssichere Grundlage schaffe.
Doch das ist gar nicht so einfach. Die CDU hat zwar bereits im Januar einen Gesetzesantrag eingereicht, in dem die Neubesetzung von Bezirksämtern bei einer Wahlwiederholung geregelt wird. Gut möglich, dass der Entwurf, den vor der Wahl keine der Regierungsparteien auch nur in Erwägung gezogen hat, nun die Grundlage für die Neuregelung wird. Zumindest soll im Ältestenrat des Abgeordnetenhauses in dieser Woche darüber debattiert werden. Ursprünglich wollte man den CDU-Entwurf oder eine leicht geänderte Fassung schon zur Konstituierenden Sitzung des Abgeordnetenhauses am 16. März einbringen. Nun wird es wohl eine Woche später.
Einen Schönheitsfehler wird man dabei aber nicht mehr vermeiden können: Das Gesetz wird gewissermaßen rückwirkend in Kraft treten. Ein Umstand, mit dem naturgemäß vor allem jene Parteien Probleme haben, die wohl Posten abgeben müssen. „Es ist momentan noch unsicher, ob die Regelung rechtlich haltbar wäre“, sagt etwa Carolina Böhm (SPD), Stadträtin für Jugend und Gesundheit in Steglitz-Zehlendorf. „Hier wird ein Gesetz gemacht, das rückwirkend gelten soll. Ein solches Vorgehen ist an einigen Stellen juristisch umstritten und angreifbar.“
Für besonders fragwürdig hält Carolina Böhm das Argument, dass die Mitglieder des Bezirksamtes mit Neuwahlen hätten rechnen müssen und damit kein „schutzwürdiges Vertrauen“ in ihr Amt hätten setzen können. So steht es im Gutachten des Rechtswissenschaftlers Ulrich Battis, der den Gesetzentwurf der CDU untersucht hat und zu dem Ergebnis kommt, dass er rechtssicher ist. „Wie soll das denn gehen?“, fragt die Stadträtin. „Die Wahlen auf Bezirksebene liefen reibungslos, wie hätten wir zum Zeitpunkt unserer Wahl schon mit der Wiederholung rechnen sollen?“ Sie ist überzeugt, dass gegen das Gesetz geklagt werden würde, sollte es vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.
In Steglitz-Zehlendorf müsste die SPD nach den neuen Mehrheitsverhältnissen einen Stadtratsposten an die CDU abgeben. Dort hat man natürlich keinerlei Probleme mit dem Gesetzentwurf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man der CDU den Stadtratsposten vorenthält“, sagt die CDU-Stadträtin Cerstin Richter-Kotowski der Berliner Zeitung. Sie war bis zur Wahl 2021 auch Bezirksbürgermeisterin in Steglitz-Zehlendorf, verlor ihren Posten aber an die Grünen-Politikerin Maren Schellenberg. Schellenberg wurde von einer Zählgemeinschaft von Grünen, SPD und FDP gewählt, die nach der Wahlwiederholung noch eine Stimme Mehrheit in der BVV hat. Die grüne Bürgermeisterin sieht die Situation sehr gelassen. „Wir arbeiten hier ganz friedlich zusammen“, sagt sie im Gespräch mit der Berliner Zeitung.
Diese Ruhe könnte trügerisch sein. In anderen Bezirken rumort es bereits. Zum Beispiel in Reinickendorf. Dort hat die CDU happige 11,5 Prozentpunkte zugelegt und ist jetzt mit 40,5 Prozent die stärkste Partei in der BVV. Mit Abstand: Die SPD als zweite Kraft kommt gerade noch auf 21,5 Prozent. SPD-Bürgermeister Uwe Brockhausen möchte derzeit nicht mit der Berliner Zeitung sprechen, mit seiner CDU-Stellvertreterin Emine Demirbüken-Wegner offenbar aber auch nicht. „Wir haben der SPD Gespräche angeboten und warten jetzt seit Tagen auf eine Reaktion“, sagt sie. „Es wäre ein Verrat ohnegleichen an den Wählerinnen und Wählern, wenn man ihren Willen einfach ignorieren würde.“