Windräder in der Hauptstadt: Der organisierte Widerstand in Berliner Amtsstuben

Schon lange ist klar, wo in Berlin weitere Windkraftanlagen gebaut werden könnten. Nun wird die Stadt per Gesetz zum Handeln gezwungen. Endlich.

Strom aus Wind und Sonne
Strom aus Wind und Sonnedpa/Peter Kneffel

Jetzt wird es ernst. Vermochte Berlin es bislang, sich in Sachen Windkraft erfolgreich hinter den gefeierten Erfolgen des Nachbarlandes Brandenburg zu verstecken, und konnte sich die Stadt vor Kritik sicher sein, solange sich die klimaschutzbewegte Nation am windradphoben Bayern abarbeitete, so gibt es nun kein Verstecken mehr und kein Lavieren. Per Gesetz sollen in acht Jahren 80 Prozent der hierzulande erzeugten Elektroenergie Ökostrom sein. Dafür ist die für Windkraftanlagen genutzte Fläche wenigstens zu verdoppeln. Zwei Prozent ihrer Fläche sollen die Bundesländer für Windräder zur Verfügung stellen, Stadtstaaten wie Berlin nur ein halbes Prozent. Der Wind hat sich gedreht. Der Zähler läuft.

Für Berlin ist dies der längst überfällige Weckruf, mit dem es nur formal um ein halbes Prozent Berlin geht, also um viereinhalb Quadratkilometer. In etwa das Eineinhalbfache des Tempelhofer Feldes. Der Senat ist endlich gezwungen, die Stromerzeugung aus Windkraft auch für Berlin aus der Denkverbotszone zu holen. Denn es ist ausgerechnet Berlin als der flächenmäßig größte Stadtstaat im Land, der die wenigsten Windkraftanlagen besitzt.

2008 wurde in Pankow das erste Windrad aufgestellt. Dann vergingen nicht weniger als sechs Jahre bis Nummer zwei folgte. Mittlerweile gibt es sechs Anlagen auf dem Berliner Stadtgebiet, die zusammen auf eine Leistung von gut 16 Megawatt kommen. 13 Jahre hat man dafür benötigt und hat am Ende kaum mehr als einen Alibi-Beitrag. Jedenfalls holt das nicht einmal halb so große Bremen zwölfmal so viel Strom vom Himmel. Hamburgs Windräder haben in der Summe die achtfache Kapazität der Berliner Windstromanlagen.

Dabei ist längst klar, dass diese Stadt nicht darauf verzichten kann. Während im vergangenen Jahr etwa 42 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms aus grünen Quellen stammte, waren es in dieser Stadt kaum mehr als fünf Prozent. Hier wird Strom fast ausschließlich aus Kohle oder Gas gemacht. Windstrom kommt auf einen Anteil von 0,7 Prozent.

Die Landesregierung setzt indes auf die Sonnenkraft. Denn sie gilt im Gegensatz zum Windstrom als gesellschaftlich akzeptiert und wenig konfliktgeladen. Die bequeme Art der Ökostromerzeugung soll „möglichst schon 2035“ ein Viertel des in Berlin erzeugten Stroms abdecken. Masterplan Solarcity heißt das Projekt, dessen Hoffnungen jedoch verblassen, da schon heute etliche Berliner Eigenheimbesitzer viele Monate auf die finale Freischaltung ihre Solaranlage warten müssen.

Eine Studie wurde schon vor 17 Jahren erstellt

Tatsächlich haben selbst fünf Jahre grüne Politik in der Senatsenergieverwaltung das Thema Windkraft nicht vorangebracht. Noch im April war aus der inzwischen parteilos geführten Behörde eher desinteressiert zu erfahren, dass man die Errichtung weiterer Windkraftanlagen in Berlin „nicht ausschließt“. Im Juni erklärte die grüne Klimasenatorin Bettina Jarasch dann plötzlich neue Windräder etwa in Berliner Gewerbegebieten für vorstellbar. In der Energieverwaltung hat man nun eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die Klarheit über die Windenergie-Potenziale in Berlin schaffen soll.

Eine Studie also. Wieder mal. Bereits 2005 wurde ein solches Gutachten erstellt, das bekanntermaßen zu nichts geführt hat. Vor allem aber ist längst klar, wo die Potenziale stecken. Schon vor einigen Monaten wiesen Branchen-Experten in dieser Zeitung mögliche Standorte für Windkraftanlagen im gesamten Berliner Stadtgebiet aus. Bis zu 40 Anlagen könnten demnach etwa an der Avus, in Marzahn oder in den Müggelbergen aufgestellt werden und genug Strom für mehr als 200.000 Haushalte erzeugen.

Damit allein ließe sich in Berlin sicher nicht die Energiewende vollziehen. Allerdings sind Windräder zu wichtig, um darauf verzichten zu können. Wenn heute mit Blick auf Atomkraft gern davon gesprochen wird, dass alles genutzt werden sollte, womit Strom erzeugten werden, so sollte das erst recht für Windkraftanlagen gelten.

Tatsächlich ist aus Berlin indes zu erfahren, dass in Lichtenberg einer Wohnungsbaugesellschaft die Installation von vier Kleinwindrädern auf einem gerade errichteten Hochhaus verwehrt wurde, was hinter den Kulissen mit Verfahrensfehlern und verletzten Befindlichkeiten begründet wird. Ob man will, ist indes die Frage.

Und wenn Deutschlands Ökostrom-Papst Volker Quaschning immer wieder konstatiert, dass es hierzulande einfacher sei, eine Munitionsfabrik zu bauen als eine neue Windkraftanlage, so hätte in Berlin wohl eher ein Atommeiler die Chance auf eine Baugenehmigung. Aber der Wind hat sich gedreht.