Wochenlange Sperrungen: Die Liste der Baustellen im Berliner S-Bahn-Netz

Berlin - Sie ist ziemlich lang, die Liste. Und für viele S-Bahn-Fahrgäste bedeutet sie zusätzliche Umsteigezwänge sowie längere Reisezeiten. Es geht um die neue Liste der Baustellen im Berliner S-Bahn-Netz, die jetzt bekannt geworden ist. Besonders betroffen sind in diesem Jahr Fahrgäste, die regelmäßig auf den Linien S5, 7 und 75 unterwegs sind. Die Strecken in die Neubaugebiete im Osten werden wochenlang gesperrt. Auch Nutzer der Ringbahn, die noch stärker frequentiert wird, müssen auf Busse umsteigen. Sie wird viermal unterbrochen. Erneuerungen sind nötig, sagen Experten. Aber warum dauern die Bauarbeiten zum Teil so lange?

Der Osten wird abgehängt: Dieser Schluss drängt sich auf, wenn man die Baustellenliste von DB Netz liest. Mehr als zwei Monate lang, vom 30. August bis zum 4. November, gibt es keine S75 nach Wartenberg. Zunächst beginnt die Sperrung in Springpfuhl, vom 4. Oktober an ist schon am Nöldnerplatz Schluss.

Anfangs werden ab Springpfuhl die Gleise erneuert, sagte Bahnsprecher Gisbert Gahler. „Aufgrund der Länge des Umbauabschnitts, der logistischen Randbedingungen sowie unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzes ist eine Vollsperrung über den angegebenen Zeitraum erforderlich.“ Anders formuliert: Mit rund fünf Kilometern ist der Bereich ziemlich lang, das Baufeld ist schwer erreichbar, und aus Sicherheitsgründen ist es nicht möglich, die S-Bahn eingleisig weiterfahren zu lassen.

Personalmangel verlängert Bauzeit in Berlin

Vom 4. Oktober an gibt es dann einen anderen Grund für die Sperrung der S75, wo die Züge die Funknamen Theodor und Tapir haben. Das elektronische Stellwerk Biesdorfer Kreuz wird in Betrieb genommen, so Gahler. Dann wird der Bahnbetrieb bereits ab Nöldnerplatz unterbrochen. Das gilt auch auf den anderen S-Bahn-Linien in diesem Bereich: Betroffen sind die S7 bis Ahrensfelde und die S5 bis Wuhletal. Dort sollen bis zum 4. November Busse fahren.

Auf dem Arbeitszettel stehe außerdem das neue Zugbeeinflussungssystem für die S-Bahn, kurz ZBS genannt, erklärte Gahler. „Dafür werden Weichen eingebaut, Signale gestellt und Balisen montiert.“ Balisen sind die gelben Kästen auf den Schwellen, die den S-Bahnen per Funk Informationen übermitteln und für sicheren Betrieb sorgen sollen. Wenn die Technik installiert ist, folgen Mess- und Abnahmefahrten.

Auf dem Ring gibt es ebenfalls viel zu tun. Weil vom 8. April bis 20. Mai Gleise und Weichen erneuert werden, können zwischen Schönhauser Allee und Greifswalder Straße keine S-Bahnen fahren. Vom 5. Juli bis 5. August rollen dann zwischen Frankfurter Allee und Ostkreuz Busse. Dann gehe es um die Überführung am Wiesenweg, erläuterte Gahler. „Dort muss die derzeitige Hilfsbrücke ausgebaut und der neue Überbau eingebaut werden.“ In diesem Bereich baut die Deutsche Bahn (DB) zwei Gleise für Fern- und Regionalzüge neu. Im November folgen zwei Ringsperrungen in Neukölln und Treptow. Anlass ist der Bau der Autobahn A 100.

„Meine Einschätzung ist: Die Arbeiten auf den Linien im Osten dauern zu lange“, sagte ein S-Bahner, der im Fahrdienst tätig ist. „Zu DDR-Zeiten hätte man alles versucht, den Berufsverkehr per S-Bahn sicherzustellen. Eine so lange Unterbrechung der S-Bahn-Strecken in die Neubaugebiete wäre vermieden worden.“

SPD-Abgeordneter Sven Kohlmeier wundert sich über lange Sperrungen der Deutschen Bahn

Natürlich wisse er, dass viele Regelungen, die Sicherheit und technische Anforderungen betreffen, inzwischen verschärft worden sind. Der Bauherr DB Netz müsse dies beachten. „Es gibt aber noch ein anderes Problem: Personalmangel“ – gerade bei den „Strippenziehern“, die sich mit der Signal- und Sicherungstechnik befassen. Dies habe sich erst kürzlich gezeigt, als die Strecke Westkreuz–Spandau zehn Tage lang für den Einbau von ZBS gesperrt war. „Das wäre auch schneller möglich gewesen“, so der S-Bahner. Es stand aber nur Personal für einen Einschichtbetrieb zur Verfügung.

Auch der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier, dessen Wahlkreis Kaulsdorf und Hellersdorf umfasst, wundert sich darüber, dass die Sperrungen so lange dauern. „In einem Industrieland müsste das schneller gehen. Es darf nicht nur von 7 bis 15 Uhr gearbeitet werden.“ Grundsätzlich sei es richtig, dass Infrastruktur in Ordnung gehalten wird, betonte der Politiker. Problematisch werde es jedoch dann, wenn Fahrgäste über Gebühr beeinträchtigt werden. Die geplanten Sperrungen im Osten Berlins würden zahlreiche Menschen betreffen – „ in einer Jahreszeit, in der bereits mit schlechtem Wetter zu rechnen ist“, so Kohlmeier.

In der Berliner U-Bahn wird es 2019 noch voller

Aus der S-Bahn hat der Sozialdemokrat gehört, dass das Ersatzkonzept Kopfzerbrechen bereite. „Es ist fraglich, ob die BVG für die zusätzlichen Fahrgäste genug Kapazität hat“, so der SPD-Politiker. Noch besteht Hoffnung, dass für die U-Bahn-Linie U5 zusätzliche Züge zur Verfügung stehen, sie wird die Hauptlast tragen. „In Richtung Wartenberg dürfte es schwieriger werden“, sagte Kohlmeier. Die dortigen Wohngebiete gehören nicht zum Einzugsgebiet der U5. Straßenbahnen und Busse müssen die S-Bahn-Nutzer aufnehmen.

„Die Sperrungen bei der S-Bahn sind für die östlichen Außenbezirke verheerend“, sagte der CDU-Abgeordnete Christian Gräff, dessen Wahlkreis ebenfalls im Bezirk Marzahn-Hellersdorf liegt. „Schon jetzt ist das Nahverkehrsnetz dem Bevölkerungszuwachs auf Berliner und Brandenburger Seite nicht gewachsen.“ Umsteiger an den S- und U-Bahnhöfen fänden keine Parkplätze für Park and Ride. „Dieses unstrukturierte Vorgehen ist nicht mehr hinnehmbar“, kritisierte der Politiker.

Dass die Lage auch bei der Regionalbahn angespannt ist, zeigt ein Wunsch aus dem Landkreis Märkisch-Oderland. Nach einem Bericht von „Mahlsdorf live“ hat Landrat Gernot Schmidt (SPD) gefordert, dass die Züge zwischen Berlin und Kostrzyn (Küstrin) Mahlsdorf künftig wieder ohne Halt durchfahren. Die Wendezeit an der Endstation Ostkreuz sei mit fünf Minuten zu gering bemessen, Verspätungen seien die Regel. Ein Verzicht auf den Stopp an dem Mahlsdorfer Haltepunkt, der erst Ende 2017 in Betrieb ging, würde die Situation entspannen. Seit langem beklagen Fahrgäste zudem, dass die Triebwagen häufig sehr voll sind.