Ehemaliges Stasi-Gebäude wird zu Wohnlofts umgebaut

Wo einst die geheime Kommunikation der DDR zusammenlief, werden bald Menschen wohnen. Ob die Spuren der Geschichte erhalten bleiben, ist fraglich.

Berlin-Lichtenberg-Von außen sieht das würfelförmige Haus wie ein gewöhnliches Bürogebäude aus, das gerade umgebaut wird. „Industrielofts“ entstehen hier, verkündet ein Werbeplakat an der Fassade. Doch im Innern zeigt sich, dass das fünfgeschossige Gebäude in der Gotlindestraße 91 A in Lichtenberg ein Ort mit besonderer Geschichte ist. Im Keller sind mehr als 200 Löcher in der Wand zu sehen – Kabelkanäle, über die einst die geheime Kommunikation der DDR-Regierung und des Ministeriums für Staatssicherheit organisiert wurde.

200 Löcher für Kabelkanäle in der Wand zu sehen

„Durch die Löcher verliefen unter anderem die Leitungen von der Stasi-Zentrale, aus der Spionage-Abteilung und aus dem Büro von Erich Mielke“, sagt der Historiker Christian Boos bei einer Baustellenbesichtigung am Donnerstag. Er hat die Geschichte des Hauses erforscht, das seit vergangenem Jahr von einem privaten Investor umgebaut wird.

Als Haus 43 wurde das Gebäude damals bezeichnet. Zuständig dafür war die Abteilung N, wie Nachrichten, des Ministeriums für Staatssicherheit. Von hier aus seien die geheimen Informationen in andere Teile der Republik oder Richtung Moskau weitergeleitet worden, sagt Boos. Darunter höchstvertrauliche Informationen der Regierung, der Partei und von Armee und Polizei. „Wenn Honecker mit Breschnew oder Gorbatschow gesprochen hat, dann lief das hier durch“, sagt der Historiker.

Die Kommunikation wurde dabei aus Sicherheitsgründen mit Hilfe sowjetischer Telefonverschlüsselungstechnik abgewickelt. Die Leitungen, die zu dem Haus in der Gotlindestraße führten, standen zudem unter Überdruck. Hätte jemand von außen die Leitungen angezapft, wäre dies durch den Druckabfall bemerkt worden.

So soll das Gebäude mal aussehen.  Mit Antenne der Telekom.
So soll das Gebäude mal aussehen. Mit Antenne der Telekom.Foto: Bewocon

Haus 43 wurde von 1975 bis 1979 errichtet. Stasi-Chef Erich Mielke gab persönlich das Okay für die Finanzierung des Projekts. „Einverstanden Mielke“ steht auf einem Dokument, das im Archiv dazu gefunden wurde. Als „ausgewähltes Vorhaben der Landesverteidigung“ galt für das Projekt eine erhöhte Dringlichkeit. Auf einer Nutzfläche von 6200 Quadratmetern entstanden 750 Diensträume. Bautechnische Besonderheit: eine sogenannte trümmersichere Decke – um im Kriegsfall die nachrichtentechnische Infrastruktur aufrechterhalten zu können. Nicht alles lief im späteren Betrieb problemlos. 1981 zerstörte ein Feuer die gerade neu installierte UKW-Sprechfunkzentrale. Nach der Wiedervereinigung 1990 übernahm die Bundespost das Haus in der Gotlindestraße. 1995 ging die Immobilie in den Besitz der Telekom über. 2014 wurde es privatisiert.

Kabelöffnungen mittels Acrylglas konservieren?

Heute gehört die Immobilie zwei israelischen Geschäftsleuten. Sie errichten nach Plänen des Architekturbüros Ulrich Borgert, Braun & Schlockermann 50 Wohn-Lofts in dem Gebäude. Um mehr Licht in die Wohnungen zu bekommen, fügen die Architekten einen Hof in die Mitte des Komplexes ein. Die Wohnungen werden über Laubengänge in dem Hof erschlossen. Pro Etage sind zehn Lofts geplant. In der fünften und sechsten Etage entstehen Maisonette-Wohnungen. Im Innern wurde das Haus bereits entkernt, das heißt, die nicht benötigten Wände wurden abgetragen. Ende 2021 sollen die neuen Wohnungen fertig sein. 50 Prozent seien schon verkauft, berichtet Andreas Ebel von der Berliner Wohnbau Consult, die die Lofts vermarktet.

Die zurzeit günstigste Wohnung ist 120 Quadratmeter groß, befindet sich in Nordostlage im Erdgeschoss, und kostet etwa eine halbe Million Euro. Die teuerste Wohnung im Dachgeschoss hat 214 Quadratmeter und soll 1,5 bis 1,6 Millionen Euro kosten. Bislang hätten hauptsächlich Leute aus der Nachbarschaft gekauft, berichtet Ebel.

Der Keller, in dem früher die Kabel zusammenliefen, soll zur Tiefgarage werden. Die Kabelöffnungen können, so Ebel, aus Gründen des Brandschutzes nicht erhalten bleiben. Möglicherweise findet sich aber doch eine Lösung, die Spuren der Geschichte zu retten. Die Kabelöffnungen könnten hinter Acrylglas gesichert werden, schlug jemand bei der Baustellenbesichtigung vor.