Wohnungsbaugesellschaften: Immobilienaffäre erreicht Landesfirmen

Berlin - Die Berliner Schrottimmobilien-Affäre zieht immer weitere Kreise. Wie jetzt bekannt wurde, haben mit der Gewobag und der Degewo auch landeseigene Immobilienunternehmen Wohnungen über dubiose Vertriebe verkaufen lassen. Im Namen von mehreren Geschädigten hat eine Anwaltskanzlei vor dem Landgericht Klage gegen die Gewobag EB erhoben, eine Tochterfirma der Gewobag, die für den Vertrieb von Wohneigentum zuständig ist. Der Berliner Zeitung liegt zudem eine Klageschrift gegen die Degewo vor, die am Freitag beim Landgericht eingereicht wurde. Gewobag und Degewo sollen so zur Rückabwicklung von Immobilienverkäufen gezwungen werden.

Die Klage gegen die Degewo betreibt die Kanzlei Jochen Resch. Sie richtet sich gegen die Degewo-Tochter Marzahner Wohnungsgesellschaft mbH. Über einen externen Vertrieb soll das Unternehmen 2008 eine Wohnung in der Marzahner Luise-Zietz-Straße an ein Ehepaar verkauft haben. In der Klageschrift ist von arglistiger Täuschung und sittenwidriger Überteuerung die Rede. Innerhalb von 15 Jahren werde sich der Wert ihrer Wohnung von knapp 74.000 auf 240.000 Euro verdreifachen, sei den Käufern versprochen worden.

Viel wahrscheinlicher aber sei es, dass die Marzahner Wohnung an Wert verliere, so die Kanzlei. „Wir haben seit 2002 zahlreiche ähnliche Prozesse gegen die Degewo geführt und die meisten gewonnen“, sagt Anwalt Jochen Resch. Im Fall der Gewobag handelt es sich nach Auskunft der Kanzlei Storch und Kollegen um ein Buckower Mietshaus aus den 60er Jahren. Mehrere Wohnungen sollen hier 2006 und 2007 verkauft worden sein. Als Vermittler traten externe Vertriebe auf, die bei Verbraucherschützern einen ausgesprochen schlechten Ruf haben.

Zum Kauf überrumpelt

Zu ihnen zählt auch die Swisskontor GmbH, eine Firma, die im Zuge der Affäre um Ex-Justizsenator Michael Braun (CDU) in die Schlagzeilen geraten war. Braun war vorgeworfen worden, als Notar Kaufverträge für Schrottimmobilien beurkundet zu haben. Die Geschäfte waren zum Teil über die Swisskontor abgewickelt worden, einer Tochter der Grüezi Real Estate AG, gegen die mehr als 100 Klagen vor dem Berliner Landgericht anhängig sind. Braun wurde im Dezember nach nur elf Tagen Amtszeit entlassen.

Stefan Schweers von der Kanzlei Storch sagt, seine Mandanten, darunter eine junge Frau aus Steglitz und ein Ehepaar aus Friedrichsfelde, seien mit Überrumpelungstaktiken zum Kauf der Gewobag-Wohnungen überredet worden. Die Vermittler von der Swisskontor und der Olaf Gröhler Vermögensberatung hätten die Kunden meist noch am gleichen Tag zum Notar mitgenommen, wo der Kaufvertrag beurkundet wurde, so Schweers. Zudem sollen die Wohnungen stark überteuert gewesen sein. Die Swisskontor hat ihre Geschäfte laut dem Mutterunternehmen Grüezi AG mittlerweile eingestellt. Die Gröhler Vermögensberatung existiert laut Handelsregister nicht mehr.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung lehnte die Gewobag eine Stellungnahme unter Verweis auf das schwebende Verfahren ab. Auch die Degewo wollte sich zu aktuellen Verfahren nicht äußern. Den Vorwurf der arglistigen Täuschung und der Sittenwidrigkeit wies das Unternehmen aber zurück.

Die Degewo bestätigte, Prozesse gegen Kläger verloren zu haben, die von der Kanzlei Resch vertreten wurden. Nach eigener Darstellung waren dies aber nur vier von 21 Klagen. Dabei habe es sich um Wohnungsverkäufe von 1997 gehandelt. Mangels eigener Vertriebsstrukturen habe man damals einen externen Vertrieb mit dem Verkauf von 244 Wohnungen beauftragt. Diese Firma habe dann ohne Wissen der Degewo weitere Vertriebe eingeschaltet. Heute arbeite die Degewo nicht mehr mit externen Vertriebspartnern zusammen.

Gewobag schweigt

Bereits 2010 war die Gewobag EB in einem ähnlichen Fall vom Landgericht zur Rückabwicklung eines Immobilienkaufs sowie Schadensersatzzahlung verurteilt worden. Die Kläger hatten 2003 eine Wohnung aus dem Gewobag-Bestand für knapp 84.000 Euro gekauft. Nach Angaben ihres Anwalts Kim Oliver Klevenhagen wurden die Geringverdiener fast in die Insolvenz gerissen. „Für die Finanzierung ihrer Wohnung musste das Ehepaar jeden Monat statt der versprochenen 60 Euro 303 Euro zuzahlen“, sagt Klevenhagen. Das Urteil sei rechtskräftig.

Auch in diesem Fall war ein externer Vertrieb für die Gewobag tätig, die TL Tax Concept GmbH. Das geht aus dem Urteil hervor. Nach Informationen der Berliner Zeitung handelt es sich bei der mittlerweile insolventen Firma um einen Strukturvertrieb, der ebenfalls mit Überrumpelungsmethoden arbeitete und Immobilien als angebliche Steuersparanlagen vermittelte. Das Argument der Gewobag, es habe keine Geschäftsbeziehung zu den Vermittlern bestanden, hatte das Gericht zurückgewiesen. Es sei „unstreitig“, heißt es im Urteil, dass die Gewobag die Firma „zum Vertrieb der Eigentumswohnungen eingeschaltet“ habe. Ob die Gewobag noch heute mit windigen Immobilienvermittlern zusammenarbeitet, ist bislang unklar.

Das Unternehmen wollte sich dazu nicht äußern. Die Senatsverwaltung für Finanzen erklärte am Freitag, die Verkaufsverfahren lägen „im unternehmerischen Zuständigkeitsbereich“ der Wohnungsbaugesellschaften. Die Stadtentwicklungsbehörde wies darauf hin, dass es keine Vorgaben zu Veräußerungswerten gegeben habe.