Zahlen der Kriminalstatistik 2016: Berlin ist die gefährlichste Stadt

Berlin - Berlin hat es auf Platz 1 geschafft. Mit 16.161 Straftaten je 100.000 Einwohner liegt die Hauptstadt erstmals auf dem ersten Platz der gefährlichsten Städte der Bundesrepublik.

Das geht aus der bundesweiten Kriminalstatistik hervor, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag vorgestellt hat. Obwohl in Berlin die Deliktzahlen leicht sanken, steht die Hauptstadt gemessen an der Bevölkerung am schlechtesten da.

Dicht gefolgt wird Berlin von Leipzig, wo im vergangenen Jahr 15.671 Taten pro 100 000 Einwohner registriert wurden, sowie von Hannover und Bremen. Frankfurt am Main, im vergangenen Jahr noch der Spitzenreiter, liegt auf Platz 4.

Das „Tor zum Osten“

Unter anderem die Zahlen für Diebstahl trieben die Statistik zuungunsten Berlins hoch. Sie sanken bundesweit um 4,4 Prozent. In Berlin wurde der höchste Wert seit zehn Jahren registriert und ein Gesamtanstieg um 1,4 Prozent. Der Taschendiebstahl ging bundesweit um zwei Prozent zurück, in Berlin dagegen stiegen die Zahlen um 10,7 Prozent. Nach Einschätzung der Berliner Polizeistatistiker liegt der Grund darin, dass Berlin eine beliebte Touristenmetropole ist. Taschendiebe sind dort, wo sich viele Menschen treffen – in Partykiezen, bei Veranstaltungen und auf Bahnhöfen, auf deren Rolltreppen die Täter es leicht haben.

Bundesweit um 0,3 Prozent ging der Kfz-Diebstahl zurück. Nicht so in Berlin: Hier stieg die Zahl der Fälle um 9,8 Prozent. Vor allem teure Marken werden gestohlen. Immer mehr Tatgelegenheiten bieten sich den Kriminellen, weil Firmen nach Berlin ziehen und hochwertige Dienstwagen mitbringen. Die Diebe profitieren von der Nähe Berlins zur polnischen Grenze, die sie schnell über die Autobahn erreichen. Laut den Ermittlern ist Berlin für die Autodiebe das „Tor zum Osten“.

Sogar der Diebstahl von Fahrrädern nahm bundesweit um 8,8 Prozent ab. In Berlin dagegen stiegen die Zahlen auf den Höchststand der vergangenen zehn Jahre: um 6,7 Prozent auf 34 418 erfasste Fälle. In der Hauptstadt wimmelt es von Tatgelegenheiten. Massenhaft werden die oft schlecht gesicherten Zweiräder an Abstellplätzen vor Bahnhöfen entwendet. Die Aufklärungsquote liegt bei 3,5 Prozent – bundesweit ist sie mehr als doppelt so hoch.

Etwas weniger Einbrüche

Einen positiven Trend gibt es hinsichtlich der Wohnungseinbrüche. Um 9,5 Prozent gingen sie bundesweit zurück. In Berlin sanken die Zahlen zwar auch, allerdings nur um 2,6 Prozent. Gerade einmal 7,8 Prozent der Einbrüche werden hier aufgeklärt. Im Bundesdurchschnitt sind es mehr als doppelt so viele.

Bundesweit und auch in Berlin ist die Zahl von Gewaltdelikten wie gefährliche und schwere Körperverletzung gestiegen. Im Bund sind es 9,9 Prozent und Berlin 4,3 Prozent. Umgekehrt ist die Entwicklung beim Straftatbestand Vergewaltigung und sexuelle Nötigung: Bundesweit stiegen die Zahlen um 12,8 Prozent auf 7919 Fälle. Davon entfielen 623 Fälle auf Berlin. Dort sind es allerdings 5,9 Prozent weniger als im Vorjahr.

Rund 2,02 Millionen Tatverdächtige wurden im vergangenen Jahr bundesweit ermittelt. Darunter sind rund 174 000 Zuwanderer, die einen Anteil von 8,6 Prozent ausmachen (Vorjahr: 5,7 Prozent). Unter Zuwanderern versteht die Polizei Asylbewerber, Flüchtlinge, Ausländer mit Duldung und jene, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten – nicht aber Menschen, deren Asylersuchen bereits anerkannt ist. In Berlin nahm der Anteil von 4,7 auf 7,1 Prozent zu.

Massendelikt Diebstahl

Was auf den ersten Blick für Berlin positiv aussieht – nämlich der Rückgang der Rauschgiftdelikte um 5,5 Prozent – täuscht. Denn das sind Kontrolldelikte, die nur aufgedeckt werden, wenn es Polizisten gibt, die Verdächtige aktiv überprüfen. Doch dazu kommt die Berliner Polizei immer weniger. Dagegen wurden bundesweit 7,1 Prozent mehr Drogendelikte registriert, was bedeutet, dass die Polizei in anderen Regionen wesentlich aktiver ist.

Im Gegensatz zu Drogenverstößen, wo der Täter gleich mitgeliefert wird, lassen sich andere Massendelikte wie Diebstahl nur schwer aufklären. Für manche Experten gibt die Aufklärungsquote allerdings auch einen Einblick in den Zustand von Polizei und Justiz. Mit 56,2 Prozent blieb die Aufklärungsquote bundesweit fast gleich. In Berlin sank sie erneut, auf inzwischen nur noch 42 Prozent.

„Es braucht ein Umdenken“

Dass Berlin einmal den 1. Platz einnehmen würde, war für Michael Böhl erwartbar. Der Landeschef des Bundes deutscher Kriminalbeamter sieht nicht nur Defizite bei der Strafverfolgung und der Behandlung von Opfern und Zeugen durch die Justiz. „Partystadt ist schön und gut. Aber wir können nicht alles tolerieren“, sagt Böhl. „Es geht auch darum, zur Zivilcourage zu ermutigen. Es braucht ein Umdenken im erzieherischen Bereich, zur Akzeptanz von Regeln.“

„Es ist eine Frage von zu wenig Präsenz der Polizei auf den Straßen und mangelnder Strafverfolgung durch die Justiz“, sagt Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei. „Bei Massendelikten wie Taschendiebstahl kommen die Täter lieber nach Berlin, weil sie wissen, dass sie in Bayern eingesperrt werden, wenn man sie erwischt.“

Die sichersten Städte der Republik liegen übrigens in Bayern: München mit 7909 und Augsburg mit 7988 Straftaten pro 100.000 Einwohner.