Die Weltzeituhr. Während die allgegenwärtigen Uhren an Kirchtürmen und in Bahnhöfen, auf den Millionen Smartphones und an weniger werdenden Handgelenken immerzu daran erinnern, wie die Zeit vergeht, werde ich hier stets daran erinnert, was sie eigentlich ist: eine nicht zu fassende Größe, ein Riesenrätsel und beständiges Abenteuer. Der Mensch begegnet ihr, je nach Naturell und Lebensphase, mit Kontrollzwang oder spielerischem Umgang. Und doch ist wohl den meisten, ob sie denken, Stunden horten zu können oder ihren Gang ignorieren, bewusst, dass die Zeit an sich keine Stunden kennt, keine Sekunden, Tage und Jahre. Sie ist unendlich wie das All, darin ähnlich unbegreiflich und manchmal furchterregend, und deswegen muss der Mensch sie kartografieren. Bändigen.
Woran man freilich immer wieder scheitert. So viele Tätigkeiten, die absolviert werden müssen und viel Schönerem im Weg stehen, nehmen schon lange kaum mehr Zeit in Anspruch, weil Maschinen und digitale Lösungen sie erledigen. Und trotzdem ruft alles nach Entschleunigung, mehr Freizeit, Muße, Zeitmanagement. Weniger Zeit verlieren, mehr Lebensqualität, so die Formel dahinter.
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Allein das Wort „Zeitmanagement“. Könnte die Zeit kichern, sie täte es wohl ausgiebig. Der Zeitforscher Karlheinz Geißler, natürlich ein gefragter Mann, sagt: „Zeit kann man nicht verlieren“ und zieht das Beispiel des Schlafs heran, für viele der Inbegriff der Verschwendung von Stunden. Wer am Schlaf spare, so Geißler, der verliere höchstens Schlafenszeit. Denn immer wenn einer oder eine etwas tue, verpasse er oder sie etwas anderes. Gerate ich in Versuchung, darüber zu verzweifeln, dann achte ich auf Menschen, die das Gefühl, etwas zu versäumen, nicht kennen. Selbstvergessen spielende Kinder. Liebespaare. Viele alte Menschen (die, welche weniger Lebenszeit haben, aber eben auch schon sehr viel erlebt). Und manchmal Leute, die an der Weltzeituhr Musikern lauschen, während drum herum die Tauben ihren schwerfälligen Geschäften nachgehen.
Dort reicht sogar ein Blick nach oben. Es gibt keine gültige Uhrzeit. Woanders ist gerade Nacht. Wer klug ist, schläft und verpasst dabei nichts. Vor allem aber: Nach 24 Stunden geht das Leben einfach weiter. Überall zu einem anderen Zeitpunkt. Nicht jedes Leben, aber das große Ganze. Beides ist verrückt und großartig: unsere hilflosen, aber genialen Versuche, es zu portionieren. Und das Kichern der Zeit darüber. An guten Tagen lache ich mit.