Es klingt wie ein Stück aus dem Kalten Krieg. Da will ein chinesisches Tanztheaterensemble seine Interpretation von 5 000 Jahre heimischer Geschichte auf eine Berliner Bühne bringen – und dann steht plötzlich ein Vertreter der chinesischen Botschaft vor der Tür und hat Redebedarf. „Es war vorigen Mittwoch“, erzählt Jörg Seefeld, Leiter der Eventabteilung des Stage-Theaters am Potsdamer Platz. „Erst hat der Herr sein Interesse an unserem Haus bekundet. Und dann hat er ganz eindeutig versucht, Einfluss zu nehmen“, sagt Seefeld.
Ob es nicht möglich sei, den Vertrag mit dem Ensemble Shen Yun zu annullieren, das im März für vier Tage im Musical-Theater gastieren will. Shen Yun betreibe „Hetze“ gegen Chinas Regierung, indem sie die Errungenschaften von 60 Jahre Kulturrevolution infrage stellten. Im Übrigen habe er Kontakt zu anderen Ensembles, die zur gleichen Zeit und ohne politische Komplikationen auftreten könnten. Ob man da nicht…? Nein, das könne man nicht, hat Seefeld geantwortet. Shen Yun werde wie geplant vom 23. bis 26. März mit seinen 100 Tänzern und Musikern auftreten (Tickets von 52 bis 152 Euro unter 60 98 41 80).
Was nach einer Posse aus einer vergessen geglaubten Epoche klingt, ist für die Theatermacher Alltag. Tatsächlich versuchen nach Auskunft des veranstaltenden Vereins Falundafa Chinas Botschaften immer wieder, Auftritte von Shen Yun zu verhindern – meistens erfolglos übrigens. Grund ist, dass Shen Yun Teil der religiösen Bewegung Falun Gong ist. Diese wurde 1999 verboten. 2006 gründeten Exilanten in New York ihr Tanztheater, seitdem reisen vier Ensembles gleichzeitig durch die ganze Welt – bis auf China.
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Bei Jörg Seefeld ist der Botschafter mit seinen Interventionsversuchen an den Falschen geraten. „Ich bin aus der DDR. Bei den Chinesen ist es wie damals bei unseren Machthabern: Die haben Angst.“