Zukunft der Stasi-Zentrale: Grüne wollen intensivere DDR-Aufarbeitung
Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel, ihre Kollegen Stefan Gelbhaar und Andreas Otto sowie die anderen Mitglieder der „Arbeitsgruppe Aufarbeitung“ der Grünen-Fraktion verdrehen die Hälse, als Tom Sello von der Robert-Havemann-Gesellschaft ihnen die Ausmaße des früheren Stasi-Areals an der Lichtenberger Normannenstraße vor Augen führt. Der Blick schweift vom Haus 1, in dem Erich Mielke residierte, über das Archiv des MfS bis zum Haus 19, einem ausladenden Waschbetonkoloss. In dem befindet sich noch das Kino, in dem die Tschekisten anhand von Lehrfilmen ihr Handwerk der Verfolgung von Oppositionellen optimierten.
Zwar steht in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung, dass aus dieser „ungeliebten Stadt in der Stadt“ ein „Campus für Demokratie“ werden soll. Angesichts vieler maroder Stasi-Gebäude wurde den Abgeordneten aber deutlich, dass es dafür noch enormer, auch finanzieller Anstrengungen bedarf.
Zwei Tage nahmen sich die Grünen-Abgeordneten Zeit, um mal nicht über Gegenwärtiges, sondern über die Zukunft des Vergangenen zu diskutieren: mit Roland Jahn, mit Jörg Drieselmann vom Stasi-Museum und mit Tom Sello, dem designierten Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Die Grünen befassen sich seit einigen Monaten auffallend oft mit der DDR-Vergangenheit. Als „Bündnis 90/Die Grünen“ sehen sie sich in der Pflicht, sich um das Erbe der DDR-Opposition zu kümmern. Auch plagt sie das schlechte Gewissen, weil sie sich in der Stasi-Affäre um Andrej Holm aus Gründen des Koalitionsfriedens mit Kritik lange zurückhielten. Außerdem steht 2019 ein rundes Jubiläumsjahr an: 30 Jahre Fall der Mauer. Bis dahin ist nicht mehr viel Zeit, will man die noch vorhandenen authentischen Gebäude an der Normannenstraße so erhalten, dass sie den Besuchern eines „Campus der Demokratie“ gezeigt werden können.
Das wird nicht einfach und nicht billig, wie der aktuelle Konflikt um die East Side Gallery zeigt. Dort soll auf dem früheren Todesstreifen ein ausladender Hotelriegel errichtet werden, was die East Side Gallery, wie Kritiker sagen, zu einem Gartenmäuerchen degradieren würde. „Maßlos enttäuscht“ zeigt sich Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Daniel Wesener von der Antwort der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher auf seine Anfrage, ob die Baugenehmigung für das Hotel noch zu widerrufen sei.
Daniel Wesener ist sauer
Das sei so gut wie unmöglich, ließ Lüscher den Grünen wissen. Wesener ist sauer: „Wenn es nicht bei Sonntagsreden über den einmaligen historischen Wert der East Side Gallery bleiben soll, muss Berlin alles daran setzen, weitere Bausünden an diesem Spreeufer-Abschnitt zu verhindern.“ Das würde nach Lage der Dinge jedoch nur gehen, wenn man dem Hotelbauherrn ein Ersatzgrundstück anböte, was Lüscher ausschließt.
Ob die Grünen sich tatsächlich in solch kostspielige Konflikte stürzen werden, wird sich zeigen. Die bisherigen Maßnahmen von Rot-Rot-Grün waren finanziell überschaubar. So erhalten Opfer politischer Verfolgung in der DDR die Vergünstigungen des Berliner Sozialpasses sowie ein verbilligtes Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr. Außerdem haben die Grünen gemeinsam mit SPD und Linken eine Reihe von Anträgen zum Thema Aufarbeitung der DDR-Geschichte im Abgeordnetenhaus eingebracht. Bis Ende des Jahres soll der Senat berichten.