Zum Tod von Fotografin Ursula Arnold: Der Ost-Berliner Bürgersteig
Berlin - Eigentümliche Schwermut durchzieht diese Bilder aus dem Arbeiter-und-Bauern-Staat. Als habe sich eine bleierne Zeit niedergesetzt auf der Stadt, den Pflastersteinen, dem Asphalt. Aber da sind die Leute, alte, junge, die hier ihren Alltag leben, wartend auf Veränderung. Ursula Arnold war die Fotografin der Ost-Berliner, ja der ostdeutschen Bürgersteige schlechthin. Und, das muss man hinzufügen, die der S- und U-Bahnhöfe, der Straßenbahnen, Hinterhöfe, Brücken und der ewigen Baustellen.
Am Donnerstag kam die Nachricht vom Tod der Berliner Fotografin. Ursula Arnold ist bereits am 24. Mai im Alter von 83 Jahren einsam in ihrer Treptower Wohnung gestorben. In der Fotosammlung der Berlinischen Galerie und in der NBK-Artothek bleiben uns ihre wichtigsten Bilder: Motive, die bis in die 80er-Jahre fast nie in die Öffentlichkeit fanden. Kulturpolitik und Redaktionen verlangten Ideales, Optimistisches, nicht die graue, oft trostlose, müde Nachkriegswirklichkeit. Für Arnold bedeutete das bittere Resignation.
Sie schloss in den Siebzigern die Leica weg, arbeitete als Kamerafrau beim Fernsehen. Erst in den Achtzigern fotografierte sie wieder in der Stadt. Kontrastscharfe Motive zeigen junge Gesichter. Aber es dauerte bis Mitte der Neunziger, dass Arnold richtig entdeckt und 2003 sogar mit dem Hannah-Höch-Preis und Ausstellungen gewürdigt wurde. Da sahen wir endlich jenes einzigartige Foto von 1956, das in einer Ausstellung hing und dem kollektiven Gedächtnis des Ostens eingeschrieben werden sollte: Eine alte Zeitungsverkäuferin in einer Straßenunterführung, schwarz gekleidet, mit krummem Rücken.
Sie schleppt einen Zeitungsstoß, darunter das Ost-Satire-Blatt „Eulenspiegel“. Trostlos sei das Motiv, eiferte damals die sozialistische Kritik, wo blieben da die Helden des Wiederaufbaus, die optimistischen Gesichter? Hier erzählt die Fotografin nicht bloß die Geschichte jener Alten, die zwei Kriege überstanden hatten und sich ihren Lebensunterhalt, oft noch mitten in Trümmern, auf der Straße verdienen mussten. Die Aufnahme sagt auch viel aus über die junge Fotografin, die sich damals nicht traute, der Alten ins Gesicht zu schauen.
Arnolds Bilder konnten keinen Blumentopf gewinnen, sie passten mit ihrer Wahrhaftigkeit und Traurigkeit nicht in die Ideologie. Aber Arnold, die aus Gera zum Studium an die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig gegangen war und nach Ost-Berlin pendelte, wollte nur so fotografieren: unpathetisch, still beobachtend, wahrhaftig. Ihre fotografischen Alltagsfetzen bleiben uns als spröde künstlerische Zeitzeugen. Das Berlin von damals nämlich ist ja fast vergessen unter neuen strahlenden Fassaden.