Zum Tod von Jürgen Patzschke, einem der Architekten des Adlon

Der Architekt ist in der vorvergangenen Woche im Alter von 81 Jahren in seiner Heimatstadt Berlin verstorben.

Architekt Jürgen Patzschke <b>(†81)</b>
Architekt Jürgen Patzschke (†81)Caro Hoene

Warum eigentlich soll man klassische, aus der römischen und griechischen Baukunst entwickelte Architekturformen in der Moderne nicht weiter verwenden, die seit der Renaissance die europäische Kultur geprägt haben? Für die Zwillingsbrüder Rüdiger und Jürgen Patzschke war das gar keine Frage, seitdem sie 1968 in West-Berlin ihr eigenes Architekturbüro begründeten: Moderne Technik und ästhetisches Traditionsbewusstsein ergänzen sich. Ihr bedeutendstes Werk dieser Richtung war das neue Adlon-Hotel am Pariser Platz. Als die ersten Entwürfe von den Investoren vorgelegt wurden, gab es einen Aufschrei des Entsetzens in der Architektenwelt: Wie könne man nur an dieser Stelle derart altmodisch bauen? Es war eine der großen Architekturdebatten der 1990er-Jahre.

Dass 1997 eingeweihte Adlon wurde zum Markenzeichen eines neuen europäischen Historismus; in Amerika, das am Rand, wäre der Bau nicht weiter aufgefallen, dort blieb diese Art von Geschichtsbewusstsein immer Teil der Architekturdebatte. Es ging bei diesem Bau, der in seinen Entwürfen noch weit steif-wilhelminischer wirkte als dann in der kommerziell gestrafften Ausführung, nicht nur um eine Variante der Wir-können-alles-machen-Postmoderne. Patzschkes fechten eisern dafür, dass nur die architektonische Tradition, die aller Propaganda der Moderne-Anhänger zum Trotz bis etwa 1950 auch in Deutschland die Lehre an den Universitäten und das tatsächliche Architekturgeschehen beherrschte, die Stadt wieder schöner und damit lebenswerter machen könne. Im Unterschied zu vielen Reaktionären, die das große Zurück in ein vorindustrielles Neobiedermeier fordern, sprachen sie zwar modernen Bauten keineswegs den Willen zur Schönheit ab – nur sei das eben nicht ihr Wille.

Ästhetischer Traditionalismus ein politisches Projekt

Für Patzschkes war und ist – das 1968 begründete und mit mehr als 100 ausgeführten Projekten sehr erfolgreiche Büro wird inzwischen von den Kindern weiter geführt – ästhetischer Traditionalismus ein politisches Projekt. Er könne die streitenden Fraktionen der Gesellschaft zu einem Gemeinsamen zusammenführen. Auch diese Ernsthaftigkeit unterscheidet viele Patzschke-Bauten von solchen, die halbherzig nur abstrahierend traditionell geplant sind oder bei denen eigentlich egal ist, ob die Fassade nun aus Glas oder aus Putz mit Gesimsen besteht. Mit den Patzschkes kann man – und der Autor dieser Zeilen erinnert sich begeistert an solche Debatten – herzhaft streiten: Stimmt denn die gewählte Architekturordnung mit dem Inhalt des Baus überein? Sind die Proportionen angemessen zur Form der Säulenordnung, welche Bedeutung hat hier dies Material und dort jenes? Sie zeigen uns: Auch heute noch kann Klassizismus noch gesellschaftliche Bedeutung vermitteln – welche auch immer. Wie jetzt bekannt wurde, ist der Architekt Jürgen Patzschke vorvergangene Woche im Alter von 81 Jahren in seiner Heimatstadt Berlin verstorben.

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