Mit Feierstunde an jüdischen Wissenschaftler erinnert: VHS-Kolleg erhält den Namen Victor Klemperer
MARZAHN Das Marzahner Volkshochschul-Kolleg erhielt gestern nachmittag den Namen Victor Klemperer. Mit dem Namen, der von den Schüler der Einrichtung ausgewählt wurde, soll an den jüdischen Schriftsteller und Romanisten erinnert werden."Mir wurde zunehmend klar, daß wir weniger Ehrende denn Geehrte sind", sagte Kolleg-Leiterin Marion Hoffmann während der Feierstunde. "Ein Stück Unverwechselbarkeit" sei das Ziel gewesen. Victor Klemperer hatte in einer Wahl unter den erwachsenen Schülern die meisten Stimmen erhalten. Andere Namensvorschläge waren Erwin Strittmatter und Stefan Zweig.Daß Klemperer, der 1881 geboren wurde, den Vorzug erhielt, liege an seiner Biografie. Die weise ihn Zeit seines Lebens nicht zuletzt als "Erwachsenenbildner" aus, erklärte die Kolleg-Leiterin vor den zahlreichen Gästen, zu denen neben Bürgermeister Harald Buttler (PDS) auch die Witwe des Autors, Hadwig Klemperer, gehörten. Nach 1945 hatte Victor Klemperer die erste Volkshochschule in Dresden mit aufgebaut und dort Vorträge gehalten. Analogien sind offensichtlich: An dem Marzahner VHS-Kolleg erwerben derzeit rund 400 Erwachsene im sogenannten zweiten Bildungsweg das Abitur. Berühmt wurde Klemperer mit seinem Buch "Lingua Tertii Imperi (LTI)", der 1947 erschienenen legendären Studie der Sprache des Dritten Reiches. Schüler- und Studentengenerationen sind damit groß geworden. Auch für Walter Nowojski, der im Aufbau-Verlag die Tagebücher Klemperers herausgibt und während der Feierstunde auf die Faszination des Wissenschaftlers verwies, gehörte LTI für lange Zeit zu den wichtigsten Büchern überhaupt. Als Germanistik-Student hörte Nowojski 1952 Vorlesungen des Romanistik-Professor. "Seine Vorträge waren so präzis und bildhaft, daß man das wesentliche noch lange vor Augen hatte", erinnerte sich Nowojski. Wer Klemperer begegnete, für den sei der Name zum Synonym für menschliche Wärme und Zuneigung geworden. Die Klemperer-Tagebücher, die Alltag und Terror der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945 einzigartig dokumentieren, sind bisher in einer Auflage von 150 000 Stück erschienen. Gerade veröffentlicht wurden jetzt die Notizen aus der Zeit von 1918 bis 1933. Nach Angaben des Herausgebers hofft der Verlag, im Herbst 1998 die Aufzeichnungen Klemperers aus den Jahren 1946 bis 1959 vorlegen zu können. Klemperer starb 1960.Erfreut über die Ehrung ihres Mannes war Hadwig Klemperer. "Er fühlte sich immer für die Jugend verantwortlich", sagte die 70jährige, die extra aus Dresden anreiste und am Erscheinen der ersten Tagebücher beteiligt war. +++