Mit ihrem überraschenden Rücktritt aus dem Handball-Nationalteam düpiert Michaela Erler Bundestrainer Hoffmann: Alleingang vor laufender Kamera

AMSTERDAM, 18. Dezember. War es nur das Produkt unglücklicher Umstände? Einfach dumm gelaufen? Die deutschen Handballerinnen hatten am Donnerstag abend ihr letztes Gruppenspiel bei der Europameisterschaft gegen Rumänien 27:25 gewonnen und damit das Ziel Weltmeisterschafts-Qualifikation erreicht, da gab Spielführerin Michaela Erler im Studio des Deutschen Sportfernsehens ihren Rücktritt nach dem Turnier bekannt. Damit überraschte sie alle gleichermaßen, Mitspielerinnen, Medienvertreter und auch den Bundestrainer, der neben Erler im Studio saß: "Nein, das hatte sie mir vorher nicht gesagt."Spontan, nicht unüberlegtPrinzipiell habe eine Rekordnationalspielerin Erler hatte gegen Rumänien ihr 283. Länderspiel absolviert und damit die Leipzigerin Petra Uhlig überholt das Recht, ihren Abschied selbst zu bestimmen, aber andererseits meinte Ekke Hoffmann: "Die Absprache war eigentlich klar: Wenn es was gibt, wird miteinander gesprochen." Der Bundestrainer bemühte sich, Contenance zu wahren, dabei sah er allerdings aus, als habe er in eine Zitrone gebissen. Erler sagte später, es sei "keineswegs eine Entscheidung aus dem Bauch heraus" gewesen. Weil der Moderator gefragt habe, wie es sich mit dem 300. Länderspiel verhalte, habe sie nur spontan reagiert: "Ich mußte das einfach klarstellen, bevor vielleicht der Bundestrainer etwas dazu sagt." So hat Michaela Erler den Ablauf der Dinge später auch Hoffmann beschrieben. Doch das Porzellan ist zerbrochen. "Ich habe das akzeptiert und fertig", sagte der Coach, ohne sich eine letzte kleine Spitze zu verkneifen: "Wissen Sie, man erwartet ja heute in Stilfragen nicht mehr soviel wie früher." Stillos gewesen zu sein, diesen Vorwurf muß sich Michaela Erler wohl gefallen lassen. Wenn der Rücktritt nach der EM schon keine spontane Entscheidung, sondern reiflich überlegte Sache war, warum hatte sie Ekke Hoffmann nicht informiert? Abgesehen von dem unerfreulichen Intermezzo um Erler könnte Ekke Hoffmann sich beruhigt in den Sessel fallen lassen und zufrieden Bilanz ziehen: selbst gesteckte Zielvorgabe erfüllt. Doch Selbstgenügsamkeit liegt Hoffmann nicht. Also wertet er die 8:2 Punkte in den Gruppenspielen nur als "von den Zahlen her optimales Ergebnis". Denn wer dreimal mit einem Tor Vorsprung und einmal mit zwei Treffern Differenz gewinnt, kann den Faktor Glück nicht negieren. Und es gibt noch viel zu tun.Der Bundestrainer spricht klare Worte. Er habe diesmal für eine Europameisterschaft die Verantwortung übernommen, "obwohl wir eine Vorbereitung hatten, die keine war". Absagen von Spielerinnen, zu wenig Lehrgänge, einfach zu wenig Zeit für die Nationalmannschaft. Hoffmann fühlte sich als Entertainer: "Wenn ich eine Mannschaft habe, dann muß ich sie aber auch formen können. So wie bei der WM." Da habe nicht nur das Ergebnis gestimmt, sondern auch die Spielanlage. Doch seine Forderung nach mehr Zuwendung trifft bei vielen Vereinen auf taube Ohren. Die Bemühungen, Termine für die Nationalmannschaft zu bekommen, glichen oftmals einem "Kampf gegen Windmühlen", meint Hoffmann. Um allerdings beschwichtigend hinzuzufügen: "Ich verstehe sie ja, bei uns in Deutschland wird der Frauenhandball ja mehr regional als national wahrgenommen."Nachhilfe beim Coach So versucht Hoffmann ruhelos, allen seinen Standpunkt zu vermitteln: Eine erfolgreiche Nationalmannschaft habe auch positive Auswirkungen für die Klubs. Und der Mann kann von einem zum anderen Moment umschalten von nachdenklicher Mängelbeschreibung zur euphorischen Schilderung eines "Paradebeispiels, wie der deutsche Sport generell funktionieren müßte". Von Emilia Luca (TV Lützellinden) ist dann die Rede, die ihm wegen einer Ausbildung zur Bürokauffrau absagen wollte. Doch in gemeinsamen Gesprächen wurde eine Lösung gefunden. Der DHB organisierte für die Spielerin während der Lehrgänge Nachhilfestunden. Hoffmann selbst, Lehrer von Beruf, gab Gemeinschaftskunde.