MONTAG UND DIENSTAG, 2./3. OKTOBER 1989: Honecker weint keine Träne

CHRONIK VOM TAGE 2.10.89: Um die Friedensgebete in Leipzig zu blockieren, werden sogenannte "gesellschaftliche Kräfte" in die Kirche geschickt./ In der Gethsemanekirche in Berlin wird eine Mahnwache eingerichtet./ In der bundesdeutschen Prager Botschaft halten sich wieder mehrere tausend DDR-Flüchtlinge auf. BERICHTE VOM TAGE "Zügellos wird von Politikern und Medien der BRD eine stabsmäßig vorbereitete ,Heim-ins-Reich -Psychose geführt, um Menschen in die Irre zu führen und auf einen Weg in ein ungewisses Schicksal zu treiben. Das vorgegaukelte Bild vom Leben im Westen soll vergessen machen, was diese Menschen von der sozialistischen Gesellschaft bekommen haben und was sie nun aufgeben. Sie schaden sich selbst und verraten ihre Heimat. ( ) Bar jeder Verantwortung handelten Eltern auch gegenüber ihren Kindern, die im sozialistischen deutschen Staat wohlbehütet aufwuchsen und denen alle Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten offenstanden. ( ) Sie alle haben durch ihr Verhalten die moralischen Werte mit Füßen getreten und sich selbst aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt. Man sollte ihnen deshalb keine Träne nachweinen."IN: NEUES DEUTSCHLAND. ANM.: AM 17.1 1990 SAGT JOACHIM HERRMANN, VERANTWORTLICH IM ZK FÜR AGITATION UND PROPAGANDA, VOR DEM UNTERSUCHUNGSAUSSCHUß AUS, DAß HONECKER DEN LETZTEN SATZ IN DEN IHM VORGELEGTEN KOMMENTAR HINEINREDIGIERT HAT.Mit Texten, die genau vor zehn Jahren entstanden sind, unternimmt die Berliner Zeitung eine tägliche Zeitreise. Eine Chronik der Ereignisse und ganz verschiedene authentische Quellen sollen noch einmal jeden einzelnen Tag wiederbeleben so, wie damals gedacht und geschrieben wurde, bevor die Mauer fiel.