Nachtwölfe-Chef Alexander Saldostanow: Rocker mit Putins Ruhmesorden

Er mag Toleranz nicht. „Für mich ist das etwas Schmutziges“, sagt Alexander Saldostanow. Toleranz bedeute Unfähigkeit, Widerstand zu leisten. „Zum Glück besitzt unser Präsident keine Toleranz.“

Alexander „Chirurg“ Saldostanow ist 52 Jahre alt, Kiefernchirurg und Mitbegründer der nationalistischen Bewegung Antimaidan. Vor allem aber ist er Präsident der Bikergruppe Nachtwölfe. Anfang Mai wollen die russischen Zweiradpatrioten in Berlin aufkreuzen, um dort den 70. Jahrestag des Sieges zu feiern.

Polen spricht von Provokation

Auch Polen liegt auf der Reiseroute. Dort hat Regierungschefin Ewa Kopacz das Vorhaben am Mittwoch als Provokation bezeichnet. Mehr als 10.000 polnische Facebook-Nutzer fordern, Saldostanow die Durchfahrt zu verweigern. Aber der „Chirurg“ denkt nicht daran, seine Pläne zu ändern. „Der Große Sieg 1945 ist der Gipfel der russischen Geschichte“, zitiert ihn die Zeitung Komsomolskaja Prawda.

Saldostanow gehört zu Moskaus Motorradrockern der ersten Generation. 1983 schaffte sich der Medizinstudent eine tschechoslowakische Jawa an, schwärmte für den Actionfilm „Mad Max“ und bretterte mit Gleichgesinnten nachts durch die Sowjethauptstadt. Bei Rockkonzerten waren die schweren Jungs Saalschutz. Der „Chirurg“ erinnert sich: „Wir waren nicht gegen unser Land, aber gegen die Heuchler, die Werte predigten, an die sie nicht glaubten.“

Hochzeit mit einer Deutschen

1985 heiratete Saldostanow eine Deutsche, lebte monatelang in Berlin, wo er sich mit Mitgliedern der Bikerbande Hells Angels anfreundete und als Rausschmeißer im Rockklub Sexton verdingte. 1989 gründeten er und andere russische Biker die Nachtwölfe. Sie eröffneten auch in Moskau einen Sexton-Klub und ein eigenes Biker-Zentrum, organisierten bombastische Motorrad-Shows, erst in Sewastopol, dann in Stalingrad, wie der „Chirurg“ Wolgograd nennt.

Wladimir Putin tauchte dort wiederholt auf, drehte sogar mehrere Runden mit Saldostanow. Endlich habe Gott Russland einen Mann gesandt, für den man sich nicht schämen müsse, sagt der Rocker über Putin.

Viele russische Biker werfen Saldostanow vor, er verstoße gegen die Grundregel aller Motorradklubs: keine Politik. Außerdem habe er die von den Hells Angels stammende innere Demokratie, nach der der Klubpräsident jedes Jahr neu gewählt wird, durch eine Einmann-Diktatur ersetzt, schreibt das Internetportal smotorom.ru. Auch das Bike-Zentrum in Moskau, das die Nachtwölfe in jahrelanger Kleinarbeit errichteten, gehöre jetzt juristisch nur noch einer Person: Saldostanow.

Kritik? Egal

Aber den schert Kritik nicht. Er ist auch stolz darauf, dass die USA und Kanada ihm die Einreise verweigern. Der Muskelprotz trägt auf seiner Lederweste den Ruhmesorden, den ihm Putin persönlich verliehen hat.

„Wir waren und sind Protestpublikum“, sagt er. Nur gelte es jetzt nicht mehr, gegen KPdSU-Funktionäre zu protestieren, sondern gegen jene „abstrakte Herrschaftsstruktur, die immer lügt und mein Land vernichten will“ – gegen den Westen. Es gebe dort nur Betrügerei und das Recht des Stärkeren. „Alles Gerede über Demokratie ist etwas für Trottel.“