466 Briefe in Lichtenberg nachträglich ausgezählt: Patt zwischen zwei Kandidaten, Endergebnis am 27. Februar
Die ungeöffneten Wahlbriefe wurden am Mittwoch öffentlich ausgezählt. Zwei Direktkandidaten liegen gleichauf. Und die SPD baut ihren Vorsprung gegenüber den Grünen leicht aus.

Die Auszählung von 466 liegengebliebenen Wahlbriefen im Berliner Bezirk Lichtenberg hat nichts an der Rangfolge geändert, mit der die Parteien aus der Abgeordnetenhauswahl hervorgingen – aber für ein Patt zwischen zwei Direktkandidaten gesorgt. Von am Mittwoch im Wahlkreis 3 nachträglich ausgezählten Erststimmen entfielen 35 auf die Linke-Kandidatin Claudia Engelmann und 25 auf CDU-Mitbewerber Dennis Haustein.
Zuvor hatte dieser um zehn Stimmen vor Engelmann gelegen und damit das Direktmandat gewonnen. Der stellvertretende Bezirkswahlleiter Thomas Zeidler ging am Mittwoch davon aus, dass im Zweifelsfall, wenn es besonders knapp sei, noch einmal nachgezählt werde. Bleibt es bei dem Gleichstand, müsste laut Wahlordnung jedoch das Los entscheiden, wie Landeswahlleiter Stephan Bröchler bestätigte.
Diese Auswirkungen könnte die Entscheidung über das Direktmandat haben
Die Entscheidung, wer das Direktmandat gewinnt, könnte sich zudem auf die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses auswirken. Geht das Mandat an die Linke, verliert die CDU einen Sitz im Landesparlament. Damit würde bei SPD und Grünen je ein Ausgleichsmandat wegfallen. Am Kräfteverhältnis der Parteien würde sich jedoch wahrscheinlich nichts ändern.
Beim RBB heißt es hierzu: „Sollte Haustein das Mandat behalten, würde sich am Kräfteverhältnis der Parteien im Abgeordnetenhaus nichts ändern. Ginge das Mandat an die Linke, könnte das jedoch Auswirkungen haben: So hätte die CDU einen Sitz weniger im Landesparlament. Dies könnte dazu führen, dass bei anderen Parteien Ausgleichsmandate wegfallen, was sich wiederum auf den bisherigen Gleichstand an Sitzen zwischen SPD und Grünen auswirken könnte. Wenn eine rot-grün-rote Koalition fortgeführt wird, dürfte voraussichtlich die SPD als stärkste Kraft die Regierende Bürgermeisterin stellen. Das könnte sich – bei den Grünen als stärkster Kraft – ändern. Entscheiden wird sich das aufgrund komplizierter Verteilungsmechanismen erst am 27. Februar, wenn das amtliche Endergebnis bekannt gegeben wird.“
Offizielles Resultat der Auszählung steht am Montag fest
Das offizielle Resultat der Auszählung in Lichtenberg steht erst am Montag fest. Dann kommt der Bezirkswahlausschuss zusammen, um das amtliche Endergebnis der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bezirksparlament festzustellen. Zuvor werden auf Basis der Niederschriften aller Wahllokale alle abgegebenen Stimmen noch einmal überprüft, wie Bezirkswahlleiter Axel Hunger erläuterte. Da kann es auch unabhängig von den nun nachgezählten Wahlbriefen noch Änderungen geben. Am 27. Februar kommt dann der Landeswahlausschuss zusammen, um das amtliche Endergebnis für ganz Berlin festzustellen.
Für einige Aufregung sorgte der Lichtenberger Fall auch, weil Berlin bei der Wahlorganisation im September 2021 versagt hatte. Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Abgeordnetenhauses und der zwölf Bezirksparlamente für ungültig erklärt - und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht.
Landeswahlleiter: Patt kein Grund, dass an der Wahl etwas falsch gelaufen ist
Bei der Wiederholung am vergangenen Sonntag lief es nach Angaben von Landeswahlleiter Stephan Bröchler weitgehend reibungslos. Einzelne Fehler passierten zwar, wirkten sich aber auf den Ausgang der Wahl insgesamt nicht aus. Das könnte im Lichtenberger Fall nun anders sein. Bezirkswahlleiter Axel Hunger nannt den Fehler „ärgerlich“, so etwas könne aber eben auch mal passieren. „Entscheidend ist, dass wir den Fehler korrigieren, wie wir auch andere Fehler korrigieren.“ Genau dafür gebe es die Ergebnisprüfung.
Ein knapper Stimmenabstand oder auch ein Patt seien für sich genommen kein Grund, dass an der Wahl etwas falsch gelaufen sei, betonte Bröchler in der RBB-„Abendschau“. Das könne ja genau das Ergebnis sein. Einfach eine Neuauszählung bei knappem Ergebnis zu fordern, dafür gibt es demnach keine Regelung. Nur bei tatsächlich nachweisbaren Rechtsverstößen oder schweren Organisationsfehlern könne der Bezirkswahlleiter beziehungsweise der Landeswahlausschuss das anordnen.
Angesichts des möglichen Wahlkreis-Patts in Lichtenberg erklärte der Landesgeschäftsführer der Berliner Linken, Sebastian Koch: „Diese Situation ist wirklich kurios und hat es meines Wissens nach so auch noch nicht gegeben“. An den ausgezählten und festgestellten Ergebnissen dürfe es keinen Zweifel geben. „Bevor das Los entscheidet, sollte also nochmal der Wahlkreis 3 ausgezählt werden.“
Berlin-Wahl: Klarer Wahlsieger heißt CDU
Die Sozialdemokraten der amtierenden Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey kamen bei der Wiederholungswahl zum Landesparlament auf Platz zwei - mit einem Vorsprung von nur 105 Zweitstimmen vor den Grünen. Klarer Wahlsieger war die CDU um Spitzenkandidat Kai Wegner. Die nun ausgezählten Briefwahlstimmen aus fünf Wahlkreisen des Bezirks waren liegengeblieben und wurden nachträglich erfasst.
Die Berliner CDU will am Freitag erste Sondierungsgespräche mit Vertretern von SPD und Grünen führen. Zunächst soll um 10 Uhr ein Gespräch mit der SPD stattfinden, um 14.30 Uhr dann mit Vertretern der Grünen. Für ein Treffen der Sozialdemokraten und den Grünen mit ihrem bisherigen dritten Koalitionspartner, der Linken, wurde noch kein Termin genannt.
Jarasch für Fortführung von Rot-Grün-Rot
Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch äußerte bereits eine Präferenz für eine Fortführung des rot-grün-roten Bündnisses, allerdings sieht sie auch Schnittmengen mit der CDU. „Es gibt ein paar Themen, bei denen wir zusammenkommen könnten, zum Beispiel bei der Verwaltungsreform“, sagte sie Zeit Online. Bei anderen Themen sei der Weg „weit und durch den Wahlkampf noch einmal weiter geworden“. Als Beispiele nannte sie Klimaschutz, Mobilität und „eine progressive Gesellschaftspolitik“.
Der ehemalige Justizsenator und CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann sprach sich hingegen bereits für ein schwarz-grünes Bündnis aus. „Es wäre für unsere Demokratie auch besonders gut, wenn man das hinkriegen würde“, sagte er der Berliner Morgenpost. Inhaltlich seien Kompromisse für beide Parteien möglich. Sowohl die CDU als auch die Grünen müssten sich bewegen, ergänzte Heilmann.
