Impfziel der Regierung klar verfehlt: Keine Lockerungen wegen Omikron
80 Prozent der Deutschen sollten bis Ende Januar mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft sein. Dieses ausgegebene Ziel wurde nicht erreicht.

Das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, bis Ende Januar mindestens 80 Prozent der Bevölkerung gegen das Coronavirus zu impfen, ist außer Reichweite. Bis einschließlich Sonntag wurden 75,8 Prozent der Menschen in Deutschland mindestens einmal gegen Corona geimpft, wie aus am Montag veröffentlichten Daten des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Die Quote derjenigen, die vollständig geimpft sind, liegt demnach bei 74 Prozent.
Die Bundesregierung hatte ursprünglich bereits Ende vergangenen Jahres die Quote von 80 Prozent erreichen wollen. Das Ziel wurde dann auf Ende Januar verschoben. Den Zahlen vom Montag zufolge sind 20,2 Millionen Menschen in Deutschland weiterhin nicht gegen Corona geimpft. Davon sind vier Millionen zwischen null und vier Jahre alt - für sie steht kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung.
Die Impfquoten der Bundesländer unterscheiden sich weiterhin erheblich. So sind in Bremen 86,7 Prozent der Einwohner vollständig geimpft, in Sachsen lediglich 62,7 Prozent. Im Saarland sind 60,8 Prozent der Menschen bereits geboostert, in Sachsen lediglich 42,4 Prozent. Bundesweit liegt diese Quote bei 52,8 Prozent. Der größte Teil der momentan verabreichten Impfungen sind Auffrischungen. So wurden den Ministeriumszahlen zufolge am Sonntag etwa 63.000 Impfdosen verbraucht, davon 40.000 für Booster.
Wegen Omikron: Regierung hält an Corona-Beschränkungen fest
In der Diskussion über mögliche Lockerungen von Corona-Maßnahmen drückt die Regierung unterdessen auf die Bremse und verweist darauf, dass die Omikron-Welle ihren Höhepunkt noch nicht erreicht habe.
In den Impfzahlen ist der 31. Januar noch nicht berücksichtigt, und es kann auch noch Nachmeldungen geben. Die Tageswerte für die Impfungen insgesamt lagen seit Jahresanfang aber nie über einer Million. Der Höchstwert wurde am 12. Januar mit rund 871.000 erreicht. In den Wochen vor Weihnachten wurden teilweise noch mehr als eine Millionen Menschen pro Tag geimpft.
„Diese Dynamik hat sich über die Weihnachtsfeiertage verlangsamt und ist auch mit dem Jahresbeginn nicht wieder in dem Maße gestiegen, wie wir uns das erhofft haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag. „Da muss man ganz klar sagen: Das Ziel, bis zum 31. Januar 80 Prozent der Bevölkerung mindestens mit einer Impfung zu versehen, ist verfehlt worden.“
Impfpflicht: Bundestag wird nicht vor März darüber entscheiden
Genau genommen hat Scholz sogar noch ein weiteres Impfziel verfehlt. Die geplante Impfpflicht sollte nach seinen Vorstellungen schon „ab Anfang Februar, Anfang März“ gelten. So hatte er es jedenfalls Ende November vorgeschlagen. Schon jetzt steht aber fest, dass der Bundestag nicht vor März darüber entscheiden wird. Danach muss der Bundesrat noch darüber befinden. Vor dem Sommer wird die Pflicht kaum gelten.
Neben der allgemeinen Impfpflicht seien auch zugänglichere Impfangebote nötig, sagte die designierte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag. Ansatz müsse sein: „Der Impfstoff muss zu den Menschen kommen, nicht die Menschen zum Impfstoff.“ Sie betonte auch: „Ich würde mir wünschen, dass man in der Ansprache, glaube ich, etwas weniger den moralischen Zeigefinger und etwas mehr den Grund, warum wir das alle tun, also auch die Rückkehr zur gesellschaftlichen Freiheit, ins Zentrum stellt.“
Scholz hatte die Bekämpfung der Corona-Pandemie in seiner Regierungserklärung zum Amtsantritt zur Chefsache erklärt. Ein erstes Impfziel, dass er Mitte November 2021 bis Ende des Jahres ausgegeben hatte, wurde am 26. Dezember vorzeitig erreicht: 30 Millionen Impfungen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kanzler sich schon die zweiten 30 Millionen bis Ende Januar zum Ziel gesetzt - und obendrein noch die Impfquote von 80 Prozent. Letzteres sollte zuerst schon bis zum 7. Januar erreicht werden, dann bis zum 31. Januar. Auch daraus wurde nichts. Scholz' langfristiges Ziel ist eine Quote von 90 Prozent, für die er allerdings kein Datum genannt hat.
Warnung vor „verfrühten“ Lockerungen
Eine schnelle Lockerung von Corona-Maßnahmen stellt die Bundesregierung momentan noch nicht in Aussicht: In dem Moment, wo man das Gefühl habe, verantwortlich lockern zu können, würden Bundes- und Landesregierungen diesen Schritt gehen, sagte Regierungssprecher Hebestreit. Im Augenblick sei es aber „noch ein bisschen verfrüht“, schon diesen Schritt zu machen. Der Höhepunkt der Welle sei noch nicht erreicht. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen warnte: „Wir sind noch nicht übern Berg.“ Es gebe keinen Anlass für kurzfristige Öffnungsmaßnahmen.
Warten bis zur nächsten Corona-Krisenberatung
Das RKI meldete am Montag 78 318 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Vor einer Woche waren es 63 393. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 1176,8 nach 1156,8 am Vortag und 840,3 in der Vorwoche. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnet Mitte Februar mit dem Höhepunkt der aktuellen Infektionswelle. Am 16. Februar sind auch die nächsten Corona-Krisenberatungen von Scholz und den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder geplant.
Nach Ansicht von FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sollte dort besprochen werden, „unter welchen Bedingungen, mit welchen Zwischenschritten“ das Land wie wieder hochgefahren werden könne. Lindner begründete das am Montag im Fernsehsender „Welt“ damit, dass Branchen wie der Kultur- und Veranstaltungsbereich eine Vorlaufzeit bräuchten, bevor sie ihr Geschäft wieder aufnehmen könnten.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich zuvor im ARD-„Bericht aus Berlin“ ebenfalls dafür ausgesprochen, bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz zu warten, aber schon für die Zeit danach zu planen. Söder nannte mehr Zuschauer bei Sport- und Kulturveranstaltungen und „mehr Möglichkeiten“ im Bereich von Gastronomie oder Messen.
„Wir müssen noch ein bisschen Geduld haben“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz in Berlin. „Für Lockerungen ist es aus meiner Sicht heute am Tag zu früh. Aber das kann in zwei bis drei Wochen schon anders sein.“
