Linke-Doppelspitze gewählt: Janine Wissler und Martin Schirdewan sind Parteivorsitzende

Janine Wissler bleibt Bundesvorsitzende der Linken. Sie erhielt am Samstag die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Europapolitiker Martin Schirdewan bildet mit Wissler eine Doppelspitze.

Neue Linke Doppelspitze: Janine Wissler und Martin Schirdewan stehen nach der Wahl als Parteivorsitzende am Samstag in Erfurt
Neue Linke Doppelspitze: Janine Wissler und Martin Schirdewan stehen nach der Wahl als Parteivorsitzende am Samstag in Erfurtdpa/Martin Schutt

Janine Wissler bleibt Bundesvorsitzende der Linken. Die 41-Jährige, die wegen einer Reihe von Wahlschlappen und interparteilicher Querelen umstritten war, erhielt am Samstag auf dem Bundesparteitag in Erfurt die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Sie setzte sich im ersten Wahlgang gegen zwei Mitbewerberinnen für den für Frauen vorgesehenen Platz in der Doppelspitze durch.

Der Europaabgeordnete Martin Schirdewan setzte sich ebenfalls mit absoluter Mehrheit der Stimmen gegen mehrere Mitbewerber durch. Schirdewan bildet mit der wiedergewählten Wissler eine Doppelspitze.

Wissler erhielt rund 57,5 Prozent der Stimmen, Schirdewan 61,3 Prozent.

Janine Wissler warb in Erfurt kämpferisch für sich. Sie räumte Fehler ein und forderte zugleich eine Erneuerung der Partei. In ihrer Bewerbungsrede sagte sie: „Der politische Gegner sitzt nicht in der Partei, sondern außerhalb.“ Nach internem Streit drang sie auf einen solidarischen Umgang miteinander und versicherte: „Ich bin mit vollem Herzen Parteivorsitzende.“

Martin Schirdewan saß bisher schon im Parteivorstand saß. Der 46-Jährige ist der Co-Fraktionsvorsitzende der Linken im Europaparlament. Er sagte in seiner Bewerbungsrede, er habe Erfahrung damit, „eine bunte Ansammlung von Linken zu lenken und zu führen“. Offiziell trat er für den Thüringer Landesverband an, der in der Partei Gewicht hat. In Thüringen stellt die Linke mit Bodo Ramelow ihren einzigen Ministerpräsidenten. Auch Schirdewan betonte: „Die Leute brauchen keine Partei, die sich im Streit ständig selbst versenkt.“

Die neue Spitze soll nun nicht nur die persönlichen Streitigkeiten schlichten, sondern auch die Richtung der Partei klären. Knackpunkt ist unter anderem die Haltung zu Russland und der Nato.

Krieg in der Ukraine zentrales Thema - Wagenknecht scheitert

Zentrales Thema beim Parteitag in Erfurt am Samstag war der Kurs der Partei in Bezug auf den Ukraine-Krieg. In einem Leitantrag des Parteivorstandes wird der russische Angriffskrieg scharf verurteilt, zugleich stellt sich die Partei gegen Waffenlieferungen an Kiew. Bei den Antragsberatungen setzte sich Parteichefin Janine Wissler gegen Kritiker um die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht durch.

„Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, die leiden, Widerstand leisten oder flüchten müssen“, heißt es in dem Leitantrag, dessen Verabschiedung aus Zeitgründen verschoben wurde. Anstelle von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete müssten „nichtmilitärische Möglichkeiten“ erweitert werden. „Sanktionen müssen sich gegen die ökonomische Machtbasis des Systems Putin, die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger, richten“, heißt es in dem Papier weiter.

Bei den Antragsberatungen scheiterte ein Änderungsvorschlag der Gruppe um Wagenknecht, die eine Mitschuld des Westens am Krieg sieht. Der gescheiterte Änderungsantrag sah unter anderem die Streichung der Passage aus dem Leitantrag vor, in der Russland eine „imperialistische Politik“ vorgeworfen wird.

Fraktionschefin Mohamed Ali: Bundesregierung tut nicht genug für ein Ende des Krieges

Vor den Antragsberatungen hatte Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali der Bundesregierung vorgeworfen, nicht genug für ein Ende des Krieges in der Ukraine zu tun. Es müsse das Ziel alles Handelns sein, dass der Krieg sich nicht ausweite und so schnell wie möglich beendet werde. „Aber so handelt die Bundesregierung nicht“, sagte die Fraktionschefin der Linken.

Die Bundesregierung liefere schwere Waffen an die Ukraine und riskiere damit, dass Deutschland von Russland als Kriegspartei angesehen werde, warnte Mohamed Ali. Sie kritisierte dabei die Grünen und insbesondere Außenministerin Annalena Baerbock. Diese sei ja nicht Verteidigungsministerin, sondern „Chefdiplomatin“. „Die Grünen haben ein politisches Rückgrat, das so biegsam ist wie ein Plastikstrohhalm.“

In einem bereits beschlossenen Antrag setzt sich die Linke dafür ein, in Deutschland bereits 2035 klimaneutral zu machen - und damit zehn Jahre früher als bislang von der Bundesregierung geplant. Die Partei schlägt dafür ein zusätzliches Investitionsprogramm über 20 Milliarden Euro für die Energiewende vor.

Linke #MeToo setzt Partei unter Druck

Die Linke sieht sich mit einer Sexismus-Affäre konfrontiert, in der auch Wissler unter Druck geraten ist. Ihre einstige Ko-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow war unter anderem wegen dieser Affäre zurückgetreten.

In Erfurt wurde der gesamte Vorstand neu gewählt, allerdings beschlossen die Delegierten, die Mitgliederzahl des Führungsgremiums von bislang 44 auf 26 zu reduzieren. Ziel sei, das Gremium schlagkräftiger zu machen und damit auch aufzuwerten, sagte der scheidende Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler. Die nötige Mehrheit der rund 570 Delegierten unterstützte die Änderung unmittelbar vor der Neuwahl des Parteivorstands.

Gregor Gysi: „Hört auf mit dem kleinkarierten Mist“

Der langjährige Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zeichnete auf dem Parteitag ein düsteres Bild vom Zustand seiner Partei. „Zu unserem 15. Geburtstag fällt mir kein rechter Glückwunsch ein, denn wir sind in einer existenziellen Krise“, sagte er.

Gysi beklagte die Vielstimmigkeit in der Partei. Es sei nicht mehr erkennbar, was Mehrheits- und was Minderheitsmeinung sei. Er kritisierte zudem ein „Klima der Denunziation“ und die öffentlich ausgetragenen Grabenkämpfe. „Unser Streit ist schon in den Medien bevor er überhaupt stattgefunden hat.“ Er fügte hinzu: „Hört auf mit dem kleinkarierten Mist.“