Altbundespräsident Gauck attestiert Deutschland ein Führungsdefizit

Den Politikern sei der Mut abhandengekommen. Weil sie Stimmenverluste bei der Bundestagswahl befürchteten, hätten sie in der Corona-Politik gezögert.

Altbundespräsident Joachim Gauck übt scharfe Kritik an der Corona-Politik (Archivbild).
Altbundespräsident Joachim Gauck übt scharfe Kritik an der Corona-Politik (Archivbild).dpa/Axel Heimken

Berlin-Die Menschen in Deutschland „dürfen zumindest den Anspruch haben, klarer und deutlicher geführt zu werden“, sagte der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck der Wochenzeitung Die Zeit. Der Berliner Zeitung liegt eine Vorabmeldung des am Donnerstag erscheinenden Interviews vor. Darin attestiert Gauck der Bundesrepublik ein generelles Führungsdefizit. Die Politik dürfe sich „nie wohlfühlen in einer Zuschauerrolle“.

Wenn Politiker die Verantwortung sehen, müsse auch gehandelt werden, sagte Gauck der Zeit. Doch der Politik sei der Mut abhandengekommen, „weil es uns seit Generationen sehr gut geht“. Auch im Bezug auf die Corona-Maßnahmen hätten die Verantwortlichen eher auf einen möglichen Stimmenverlust bei der Bundestagswahl geschielt, als entschieden zu handeln.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hätte es mehr Führung und Entschlossenheit gebraucht, um die Bevölkerung zu schützen. „Manche dachten offenbar: Wollen wir die Maßnahmen, die uns die Wissenschaft anrät, jetzt wirklich den Wählern anbieten? Ach, vielleicht geht es auch anders!“, so der Altbundespräsident.