Andrij Melnyk: „Bei uns herrscht die Hölle“

Der ukrainische Botschafter hat erneut die Bundesregierung kritisiert. „Die ersten Waffen werden wahrscheinlich erst Ende Juni ankommen“, so Melnyk.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk.
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk.dpa/Fabian Sommer

Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, hat erneut die Zögerlichkeit Deutschlands bei der Lieferung schwerer Waffen kritisiert. Die Ukraine begrüße die jüngste Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu neuen Waffenlieferungen, sagte Melnyk am Freitag im ZDF. „Aber wenn wir ehrlich sind: 100 Tage Krieg – bis heute wurde noch kein einziges schweres Gerät in die Ukraine geliefert aus Deutschland“.

„Die ersten Waffen werden wahrscheinlich erst Ende Juni ankommen“, sagte Melnyk. Scholz hatte im Bundestag am Mittwoch die Lieferung des modernen Luftverteidigungssystems Iris-T-SLM sowie eines Ortungsradars angekündigt. Zudem will Deutschland der Ukraine vier Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II liefern.

Zuvor hatte die Bundesregierung bereits zugesagt, der Ukraine Panzerhaubitzen und Gepard-Flugabwehrpanzer zur Verfügung zu stellen. Über einen Ringtausch sollen zudem Länder wie Griechenland und Tschechien Panzer aus Sowjetzeiten an die Ukraine liefern, die dann von Deutschland bei den Nato-Verbündeten durch modernes Gerät ersetzt werden. Nach 100 Tagen Krieg gebe es „so viele Tote, so viele Verletzte, so viele zerstörte Familien“, sagte Melnyk. „Wir hoffen, dass Deutschland uns dabei hilft, diesen Krieg zu beenden.“

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Melnyk: Zeit ist „entscheidender Faktor“

Der ukrainische Botschafter rechtfertigte seinen oftmals scharfen Ton gegenüber der Bundesregierung in der Debatte um Waffenlieferungen an sein Land. „Es geht hier darum, dass die Menschen begreifen, was dieser Krieg bedeutet“, sagte Melnyk. „Bei uns herrscht die Hölle.“

„Aus diesem Grund finde ich schon, dass es angemessen ist, wenn man die Menschen hier in Deutschland ein bisschen wachrüttelt, um das Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen“, sagte der Botschafter. Es sei nötig, „immer wieder darauf hinzuweisen, dass Zeit ein entscheidender Faktor ist“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Donnerstag gesagt, dass die russischen Streitkräfte mittlerweile „rund 20 Prozent“ des ukrainischen Staatsgebiets kontrollierten.

Die Ukraine kämpfe darum, die seit Kriegsbeginn von Russland eingenommenen Gebiete zurückzuerobern, sagte Melnyk. Ziel bleibe es auch weiterhin, die 2014 annektierte Halbinsel Krim und die seitdem im Donbass von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiete wieder einzunehmen.